© Thomas Fedra/HORIZONTSeine heimliche Schwäche ist Schokolade. „In großen Mengen“, erklärte Uwe Vorkötter 2014 in einem Interview mit turi2. Im selben Beitrag antwortete er auf die Frage, welche Aussagen er zum Ende seines Lebens nicht hören möchte mit „Ich weiß nicht, was ich nicht hören will. Aber wenn man dann sagt: Er war ein ganz ordentlicher Profi, dann würde mir das reichen.“ Ziemlich bescheiden, schließlich ist Vorkötter heute Chefredakteur der HORIZONT-Medien Print und Online. Studiert und promoviert hat der 61-Jährige in Bochum und Tübingen – Volkswirtschaftslehre. Journalistisch ging es für ihn als Wirtschaftsredakteur bei der Stuttgarter Zeitung los, wo er später auch das Ressort leitete. Ab 1995 war der Journalist dann Chefredakteur des Blattes. Es folgten weitere Chefredakteurs-Posten bei der Berliner Zeitung und der Frankfurter Rundschau. 2014 kam dann der Wechsel zu HORIZONT, eine der renommiertesten deutschsprachen Publikationen zu Marketing, Werbung und Medien. Während seiner Arbeit in den verschiedenen Medienhäusern sowie für HORIZONT erlebte Vorkötter den Wandel des Journalismus Schritt für Schritt mit. Expertenwissen, das er im OSK-Interview teilt. So sei es für Journalisten heutzutage entscheidend, eine Haltung zu haben und zu zeigen. Nur das mache die eigenen Inhalte unterscheidbar, wie Uwe Vorkötter im Gespräch erklärt. Außerdem geht er darauf ein, wie wichtig eine klare Definition der Zielgruppe dafür ist, mit seinem Produkt Geld zu verdienen.

Uwe Vorkötter
Chefredakteur HORIZONT-Medien

Twitter: @vorkoetter
Facebook: Uwe Vorkötter

1. Wie zeichnet sich Qualitätsjournalismus in Zukunft aus und was schadet ihm?

Was ist Qualitätsjournalismus? Der Journalismus der Zeit, der FAZ und der SZ? Ich unterscheide zwischen Qualität und Niveau. Qualität gibt es auf unterschiedlichen Niveaus, auch auf dem Boulevard, auch bei unterhaltenden Formaten. Egal also, ob es um den Essay in der Zeit geht, um die Nachricht auf Express online oder die Geschichte in der Gala: Qualität fängt bei den Fakten an, die müssen stimmen. Dazu kommt die Fähigkeit des Autors, seine Geschichte gut zu erzählen. Und wenn das Thema dann noch relevant ist, kommt Qualitätsjournalismus dabei heraus. Was schadet? Oberflächlichkeit, mangelnde Recherche, Beliebigkeit, Rechtschreibfehler.

Der größte Trend ist der Journalismus der Nicht-Journalisten.

2. Was sind die großen Trends im Journalismus und was wird sich davon künftig durchsetzen?

Der größte Trend ist der Journalismus der Nicht-Journalisten. In sozialen Netzwerken und digitalen Medien konkurrieren Amateure, Semiprofessionelle und hochgerüstete PR- und Content-Marketing-Units mit dem originären Journalismus. Also der pensionierte Diplom-Ingenieur, der sich mit der Energiewende auskennt. Und die Red-Bull-Marketingabteilung, die jeden Monat ein Hochglanzmagazin auf den Markt bringt. Journalisten neigen dazu, diese Wettbewerber nicht ernst zu nehmen. Ihre Leser sehen das anders.

3. Wie und wo recherchieren Sie nach guten und spannenden Inhalten?

Auf der Straße, in der Kneipe, in anderen Medien, auf Twitter und Facebook, bei Google, im Archiv.

4. Was muss man als Journalist künftig tun und können, um gelesen und wahrgenommen zu werden?

Hilfreich ist, kein technischer Analphabet zu sein. Also ein Content-Management-System bedienen zu können. Hilfreich ist auch zu wissen, welches soziale Netzwerk wozu taugt, wie Inhalte auf Facebook publiziert werden, wie Journalismus bei LinkedIn oder Xing funktioniert. Wie gesagt, alles hilfreich. Entscheidend aber ist, als Journalist eine Haltung zu haben – zu seinem Thema, seinem Text, seinem Film, was auch immer. Das macht den eigenen Inhalt unterscheidbar. Wer sich nicht unterscheidet, landet auf dem Content-Friedhof.

// Über #ZukunftDesJournalismus

Mobiles Internet, immer leistungsfähigere Smartphones, neue Nachrichtendienste: Die Medienlandschaft verändert sich rasant und mit ihr der Journalismus. Viele Fragen bewegen die Branche: Ist die Tageszeitung ein Auslaufmodell, weil die jüngeren Zielgruppen aktuelle Nachrichten nur noch auf mobilen Endgeräten konsumieren? Erledigen bald Schreibroboter typische Routineaufgaben und machen damit einen Teil der Redakteure überflüssig? Mit welchen neuen journalistischen Darstellungsformen können Menschen erreicht werden, die immer weniger lesen und nur noch Bilder anschauen? Gemeinsam mit Journalisten und Medienmachern aus ganz unterschiedlichen Richtungen wagt OSK einen Blick in die Zukunft des Journalismus. Das Prinzip ist immer das gleiche: acht Fragen, acht Antworten. Stück für Stück entsteht so ein Bild, das belastbare Aussagen zu entscheidenden Trends von morgen und übermorgen ermöglicht.

5. Die technologischen Veränderungen sind rasant – wie müssen sich vor diesem Hintergrund der Journalismus verändern und dessen Anbieter anpassen?

Ja, die technologischen Veränderungen sind rasant. Aber das klassische lineare Fernsehen boomt, obwohl die jungen Menschen sich angeblich längst davon abgewandt haben. Und viele Regionalzeitungen verdienen nach wie vor gut, obwohl ihnen der Untergang seit Jahren prophezeit wird. Also: Die Medien sehen sich disruptiven Prozessen ausgesetzt, aber es handelt sich um die mutmaßlich langsamste Disruption der Welt. Sie haben also durchaus Zeit, um die digitale Transformation zu bewältigen. Vor allem müssen sie technologisch aufrüsten und neue Angebote für eine neue Kundengeneration machen. Zum Beispiel ein News-Angebot für mobile Geräte, das sich auf das Wesentliche konzentriert: die Nachricht. Ohne Chichi und Bling-Bling, ohne jegliche Effekthascherei. Etwa so wie Quartz Daily in den USA. Oder das Gegenteil: ein optisch besonders opulentes Angebot, das nicht der Big-Data-Logik der Marktforschung entspricht, sondern einem publizistischen Bauchgefühl. Im Print ist Landlust ein grandioser Erfolg gelungen – solche Geschichten muss es doch auch im Digitalen geben.

Paid Content wird überschätzt.

6. Wie verdient der Großteil der Medien künftig Geld?

Sind wir schon bei der Eine-Million-Euro-Frage? Wenn ich den Fifty-Fifty-Joker setze, bleiben Paid Content und Werbeerlöse übrig. Die Werbeerlöse der Medien werden sinken, weil es in der weiten Welt des Netzes unendliche Angebote für die werbungtreibende Wirtschaft gibt. Und Paid Content wird überschätzt. Da hilft jetzt auch kein Telefonjoker. Also, ich weiß es nicht. Vielleicht immerhin so viel: Je klarer ein Medium seine Zielgruppe definiert, je kleiner die Nische, je wertvoller der Inhalt genau für diese Community, desto größer die Chance, Vertriebs- oder Werbeerlöse zu generieren. Also schlechte Aussichten für diejenigen, die Medien für alle machen, für Jung und Alt, Reich und Arm, Mann und Frau …

7. Wie sehen Ihrer Ansicht nach journalistische Inhalte und die Angebotslandschaft in fünf Jahren aus?

Vielleicht wie Vox.com. Oder andere amerikanische News-Angebote, in die gerade mächtig investiert wird. In jedem Fall plakativer. Nicht Print oder Online, nicht Text oder Bewegtbild, sondern alles integriert. Also Medien, denen man nicht mehr ansieht, ob der Absender eine TV-Marke ist, ein Printtitel oder ein Radiosender. Bisher stellt die FAZ vor allem Texte ins Netz, weil sie so viele (und sehr gute) hat. Bei n-tv gibt’s Bewegtbild, ist ja auch ein Fernsehsender. Künftig müssen wir fragen, wie wir dem Konsumenten ein Thema am besten präsentieren, und zwar aus der Sicht des Konsumenten. Und die Tendenz wird lauten: mehr Video, weniger Text.

8. Welches Medium fehlt heute noch auf dem Markt?

Mir fehlt keins. Mir hat aber auch Google nicht gefehlt, bevor es Suchmaschinen gab. Unvorstellbar, aus heutiger Sicht.

Hier gelangt ihr zu den anderen Teilen der Serie #ZukunftDesJournalismus.

Über den Autor

Carsten Christian ist studierter Journalist und Kommunikationswissenschaftler, seinen Master-Abschluss hat er an der Uni Hamburg gemacht. Bevor er zur Agentur kam, war der Digital Native mehr als zwei Jahre für die Online- und Print-Ausgabe der Ruhr Nachrichten im Einsatz. Bei OSK arbeitet er als Team Lead Digital Content, auf dem Agentur-Blog schreibt Carsten über den Medienwandel und Trends im Bereich Digital-Kommunikation. Privat verfolgt er Neuigkeiten in der Videospiel- und Gaming-Szene und greift auch selbst zu Maus und Gamepad.

Dieser Artikel wurde vor mehr als einem Jahr veröffentlicht. Sein Inhalt ist möglicherweise nicht mehr aktuell.