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Die Idee sei in einem Bahnhofs-Zeitschriftenladen entstanden. „Man ist am Bahnhof, steht vorm Zeitschriftenregal und wählt eine Kombination aus Cosmopolitan, Myself oder Gala und Manager Magazin, Brand Eins oder Handelsblatt. Irgendwas dazwischen hat gefehlt“, erinnert sich Susann Hoffmann (Foto oben). Eben die weibliche Perspektive auf Wirtschafts- und Karrierethemen – das heißt ein Online-Hub für Frauen, die sich beruflich verwirklichen wollen. Die Lösung nennen Hoffmann und ihre Kollegin Nora-Vanessa Wohlert EDITION F. Die beiden Frauen sind die Gründerinnen der Business-Lifestyle-Plattform, die im Mai 2014 online ging. „Wir sind selbst Teil der Zielgruppe – Frauen, die gut ausgebildet sind und mehr wollen: im Job und im Leben“, so Hoffmann. Es heißt, die Nachfrage bestimme das Angebot. „In diesem Fall musste man das Angebot selbst schaffen, was durchaus eine Herausforderung und ein großes Risiko für uns darstellte“, gesteht Mitgründerin Wohlert.

Bei der Idee zu EDITION F seien sich beide sicher gewesen, dass sie jedes Risiko wert war. Der Sprung ins kalte Wasser werde nicht angenehmer, wenn man länger warte. Daher entschieden Wohlert und Hoffmann sich für einen klaren Schnitt vom alten Jobleben. Nora-Vanessa Wohlert machte vor ihrer Zeit bei EDITION F ein Redaktions-Volontariat bei fischerAppelt, relations und arbeitete als Business Analyst bei Roland Berger. Danach war sie über zwei Jahre Redaktionsleiterin bei Gründerszene, dem Onlinemagazin für die Start-up-Szene und die digitale Wirtschaft in Deutschland. Susann Hoffmann war mehr als vier Jahre Strategie- und PR-Beraterin bei Scholz & Friends. Ab Anfang 2013 leitete sie den Aufbau der Kommunikationsabteilung des Fachverlags Vertical Media, zu dem auch Gründerszene gehört. Dort arbeitete Hoffmann zusammen mit ihrer Mitgründerin. Ein idealer Arbeitsplatz, um gemeinsam Wissen über die Erfolgsfaktoren und Herausforderungen von Neugründungen zu sammeln. Im September 2013 starteten sie schließlich ihren Weg in die Selbstständigkeit. „Mit einer weißen Seite in Word und dem Freiraum, Edition F entstehen zu lassen.“

In einer ersten Finanzierungsrunde investierten WestTech Ventures, Vogel Ventures, TV Plus, Factory-Gründer Simon Schäfer, der ehemalige Verlagsleiter Gruner + Jahr Wirtschaftsmedien Jan Honsel sowie weitere Unterstützer nach Unternehmensangaben einen sechsstelligen Betrag. Um weiter zu wachsen, startete EDITION F eine zweite Finanzierungsrunde. Neben Investor-Finanzierung setzten die beiden Frauen zusätzlich auf die Unterstützung ihrer Anhänger und starteten auf Companisto eine Crowdinvesting-Kampagne. Kaum eine Woche nach dem Start überschritt EDITION F die ursprüngliche Obergrenze von 100.000 Euro. Das Vertrauen der Unterstützer scheint sich gelohnt zu haben. Kein Jahr nach dem offiziellen Start verbucht EDITION F rund 90.000 Unique User pro Monat. Die Redaktion besteht aus ein paar festen Mitarbeitern sowie einigen freien Autoren. W&V hat das Gründer-Duo unter die Liste der 13 jungen Onliner gewählt, die nach Meinung der W&V-Redaktion 2015 einen Einfluss auf die Marketing- und Medienbranche haben werden. Ein Auszug aus der W&V-Begründung: „Mit ihrer Business-Lifestyle-Plattform für karrierebewusste Frauen haben die ehemaligen Gründerszene.de-Mitarbeiterinnen einen Nerv getroffen.“ Außerdem wurde EDITION F 2014 mit dem silbernen Lead Award in der Kategorie Independent ausgezeichnet.

Hoffmann und Wohlert beobachten die Entwicklungen der Branche sehr genau: Erst kürzlich veröffentlichten sie ihre sechs Thesen zur Zukunft des Journalismus. Ein Gedanke lautet, dass sich Nutzer von klassischer (Banner-)Werbung oft gestört fühlen. Neue Werbeformen sollten den Kunden, so die Überlegung, einen Mehrwehrt bieten. Native Advertising in Form von Advertorials und Co. sei, solange sie gekennzeichnet sind, daher ein geeignetes Werbemittel, „denn wo Mehrwert und spannende Geschichten, auch bei gesponserten Inhalten, geboten werden, wird das honoriert.“ Ein Punkt, den viele Journalisten anders sehen und häufig kritisieren. Im OSK-Interview sprechen die beiden darüber, warum Journalisten für die eigenen Texte mehr Verantwortung übernehmen müssen und Algorithmen für Leser immer essenzieller werden.

Susann Hoffmann und Nora-Vanessa Wohlert
Gründerinnen von EDITION F

Twitter: @susannhoffmann, @NoraVanessa
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Xing: Susann Hoffmann, Nora-Vanessa Wohlert
LinkedIn: Susann Hoffmann, Nora-Vanessa Wohlert
Instagram: susann.hoffmann, noravanessa

1. Wie zeichnet sich Qualitätsjournalismus in Zukunft aus und was schadet ihm?

Susann: Qualität grundsätzlich zu definieren, halte ich für schwierig: Letztlich muss jedes Medium genau das anbieten, was für die Zielgruppe relevant ist. Und das bedeutet für manche, umfangreich zu recherchieren, tiefgründig zu hinterfragen und investigativ Geschichten ausfindig zu machen. Für den Nächsten geht es um Geschwindigkeit oder Unterhaltung. Da möchte ich nicht generell entscheiden, was mehr wiegt. Was schadet, ist sicherlich, wenn die Individualität verloren geht und der Blick auf den Leser. Ich wünsche mir, dass man den ernster nimmt – und seine Bedürfnisse. Denn wer an ihm vorbeischreibt, hat verloren. Was natürlich auch wichtig ist, ist dass die Qualität nicht immer hinter dem Klick steht. Recherche und Persönlichkeitsrechte bleiben zentral im Journalismus. Ich wünsche mir einfach, dass Leser stärker mitgestalten können – das können Formate wie User-Generated Content sein oder auch Foren etc. Ich glaube auch, dass es immer wichtiger wird, auch die Kommentare unter Artikeln zu lesen – die sind nämlich das Bedürfnisbarometer. Leser sind sehr offen, was sie sich wünschen. Die Kunst ist, zuzuhören und die richtigen Schritte daraus abzuleiten.

Nicht jedes Konzept passt zu jedem Medium.

2. Was sind die großen Trends im Journalismus und was wird sich davon künftig durchsetzen?

Nora: Plattformen wie Medium.com zeigen, dass das Meinungsmonopol nicht mehr nur den Journalisten gehört, sondern sich jeder einbringen kann. Das heißt, auch Leser können Debatten anstoßen, Expertise und Erfahrungen teilen und Stellung beziehen. Das zeigt sich ja lange schon in den Kommentaren, die teilweise fast spannender sind als die Artikel selbst. Der große Trend ist also: User-Generated Content. Und der wird bleiben. Wie Redaktionen darauf im Einzelnen reagieren sollten, lässt sich nicht sagen. Nicht jedes Konzept passt zu jedem Medium. Wir werden selbst Templates entwickeln, die das Schreiben und Veröffentlichen einfach machen sollen. Damit können Community-Mitglieder Artikel in ihrem Profil veröffentlichen und über die sozialen Netzwerke teilen. Ob die Artikel es dann auch in den redaktionellen Bereich schaffen, liegt am Thema, der Qualität, der Relevanz und letztlich auch daran, wie oft der Artikel von der Community gelesen, geteilt und kommentiert wurde. Aber zu dem Thema lässt sich sagen: Viele Wege führen nach Rom. Und ich bin gespannt auf die Kreativität und Ideen der Medienwelt.

© kirsten becken

3. Wie und wo recherchieren Sie nach guten und spannenden Inhalten?

Nora: Was Journalisten brauchen, sind wahrscheinlich drei Dinge: wache Augen, genügend Neugier und die richtigen Kontakte. Die sozialen Netzwerke bieten natürlich wahnsinnig viele Themen, genauso aber die echte Welt da draußen – und im Grunde geht es darum, eine Geschichte zu entdecken, die für unsere Nutzer interessant, inspirierend oder einfach relevant ist. Und dabei einen Weg zu finden, die Geschichte neu zu entwickeln. Dabei hilft es zu fragen. Und die Antworten führen oft schon zu neuen Artikeln und Themen.

4. Was muss man als Journalist künftig tun und können, um gelesen und wahrgenommen zu werden?

Nora: Journalisten sollten sich zum einen natürlich immer spannende Themen überlegen – und sich gegebenenfalls auch hier als Experte stärker positionieren. Aber es heißt vor allem, selbst Verantwortung für den eigenen Text zu übernehmen und sich dafür zu interessieren, wie er die bestmögliche Reichweite bekommen kann. Als Autor weiß man am besten, was den Artikel ausmacht, und kann auch am besten auf Reaktionen antworten. Also selbst den Post auf Facebook, Twitter, LinkedIn und Xing machen – oder auch bei Medium einen Meinungszusatz zu einer neutralen Nachricht verfassen etc. Es geht darum, sichtbar zu werden, aktiv zu werden und ansprechbar zu sein.

Man muss einen Weg finden, als Journalist relevant zu sein – und das ist in Deutschland manchmal gar nicht so leicht: weil wir hier im Gegensatz zu anderen Ländern wie UK oder den USA es nicht gewohnt sind, dass ein Journalist auch eine Marke ist. Der Weg dahin führt sicher über eine eigene starke Meinung, über neue Perspektiven und überraschende Themen. Aber vor allem auch über die sozialen Netzwerke – Twitter, Facebook, Instagram und Co. Unsere Leser sind ja nicht nur da, wo unser heimisches Territorium, unsere Website, ist. Der frühere Weg des Leserbriefs, auf den man nie reagieren muss, hat klar ausgedient.

// Über #ZukunftDesJournalismus

Mobiles Internet, immer leistungsfähigere Smartphones, neue Nachrichtendienste: Die Medienlandschaft verändert sich rasant und mit ihr der Journalismus. Viele Fragen bewegen die Branche: Ist die Tageszeitung ein Auslaufmodell, weil die jüngeren Zielgruppen aktuelle Nachrichten nur noch auf mobilen Endgeräten konsumieren? Erledigen bald Schreibroboter typische Routineaufgaben und machen damit einen Teil der Redakteure überflüssig? Mit welchen neuen journalistischen Darstellungsformen können Menschen erreicht werden, die immer weniger lesen und nur noch Bilder anschauen? Gemeinsam mit Journalisten und Medienmachern aus ganz unterschiedlichen Richtungen wagt OSK einen Blick in die Zukunft des Journalismus. Das Prinzip ist immer das gleiche: acht Fragen, acht Antworten. Stück für Stück entsteht so ein Bild, das belastbare Aussagen zu entscheidenden Trends von morgen und übermorgen ermöglicht.

5. Die technologischen Veränderungen sind rasant – wie müssen sich vor diesem Hintergrund der Journalismus verändern und dessen Anbieter anpassen?

Susann: Journalismus findet heute natürlich immer stärker im Digitalen statt. Und das eben nicht nur auf der eigenen Website, sondern über breite Netzwerke hinweg. Für uns heißt es deshalb, dass sich der Journalismus öffnen muss: Kooperationen mit anderen Medien sind für uns zentral. Darin inbegriffen sind Content-Share-Modelle, Weiterleitungen und Empfehlungen. Transparent machen, woher eine Information stammt, auch wenn sie ein anderes Medium zuerst hatte. Man muss sich trauen, auch verlagsübergreifend Neues auszuprobieren. Außerdem glauben wir stark an die Vorauswahl für Nutzer: durch Algorithmen, die lernen, was jemand besonders gern liest oder entdecken möchte.

Wir alle leben in einer Content-Flut – viel wird schon durch den sozialen Filter meines Netzwerks, egal ob auf Facebook, Twitter und Co., gesteuert, aber ich glaube, hier müssen wir noch individueller und persönlicher werden. Bei uns geht es darum, anhand der Einstellungen und Gewohnheiten auf EDITION F die Möglichkeit einer individuellen Startseite zu haben: Suche ich gerade einen Job, erscheinen mehr Karrierethemen, Jobs und Unternehmen. Will ich Inspiration und Mode, sieht man mehr davon. Technische Filter und Algorithmen als Auswahl in der Content-Flut. Aber auch redaktionelle Kuration wird relevant bleiben. Was Messenger-Dienste wie WhatsApp und Co. angeht, glaube ich, dass sie eine Form der Push-Nachricht sein können. Newsticker und Teaser. Letztlich finden Medien und mediale Inhalte immer stärker und häufiger mobil statt. Da geht es weniger um die Veränderung der Inhalte selbst, als um die Adaption des Kanals und der Usability.

Mehrwert ist eine andere Währung als Reichweite

6. Wie verdient der Großteil der Medien künftig Geld?

Susann: Medien sind ja längst keine Leseangebote mehr. Aber das Ziel heißt heute vor allem: Mehrwert schaffen. Und Funktionen, Produkte und damit Monetarisierungswege etablieren, die für das jeweilige Medium und die Nutzer wirklich sinnvoll sind. Wer einen echten Mehrwert für Nutzer schafft, der stellt sicher, dass die Markenbindung und damit die häufige Wiederkehr zu einer Seite wächst. Wer die Inhalte für sich persönlich als relevant empfindet, bleibt länger auf einer Seite. Diesen Mehrwert werden zielgruppenspezifische Seiten für sich nutzen können. Und wer eine kundenrelevante Community aufgebaut hat, wird es leicht haben, Werbekunden davon zu überzeugen, hier präsent zu sein. Denn auch Werbung wird spezifischer. Nicht mehr one for all, sondern one for each. Bei uns geht es um berufliche Verwirklichung, um Business- und Business-Lifestyle-Themen. Es fühlt sich also natürlich an, Unternehmen kennenzulernen und Jobs zu entdecken oder sich mit Business-Mode zu beschäftigen. Andere Angebote würden hingegen nicht passen. Letztlich merkt man schnell, welche Formate funktionieren und welche nicht – auch hier geht es entsprechend um das Ausprobieren. Mehrwert ist eine andere Währung als Reichweite.

7. Wie sehen Ihrer Ansicht nach journalistische Inhalte und die Angebotslandschaft in fünf Jahren aus?

Nora: Es geht vor allem darum, Inhalte für jeden Nutzer persönlich zu machen – inhaltlich, mit starken Meinungen, überraschenden Perspektiven und Themen, und auch technologisch, sei es durch Filter und Algorithmen, durch Community-Formate mit User-Generated Content. Dabei sollten sich digitale Angebote laufend entwickeln und nicht nur alle paar Jahre einen Relaunch machen.

8. Welches Medium fehlt heute noch auf dem Markt?

Susann: Ich würde mir wohl mehr Kolumnen und Meinungsformate wünschen. Sie geben Journalisten ein Gesicht und Themen bekommen durch diese Darstellungsformen einen ganz neuen Dreh.

Hier gelangt ihr zu den anderen Teilen der Serie #ZukunftDesJournalismus.

Fotocredit: Carolin Weinkopf und Kirsten Becken

Über den Autor

Oliver Nermerich ist Kommunikationswissenschaftler und lebt im Internet. Bei OSK arbeitet er als Manager Online/Social Media und entwickelt kundenübergreifend Strategien, Auftritte und Kampagnen für das Internet und mobile Anwendungen. Auch privat dreht sich bei ihm alles um die digitale Welt: Er gehört zum Autorenteam des Lifestyle-Blogs Whudat.de und betreibt mit Freunden das Rolling-Magazin "Be-Mag". Sein Smartphone gibt er nur aus der Hand, wenn er auf sein Board steigt und an der Algarve die nächste Welle surft. Für das OSK Blog spürt er die neuesten Trends und Entwicklungen im Netz auf und spricht mit Meinungsmachern und Digital Influencern.

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