„Überlebenswichtig!“ In diesen kurzen Worten fasst Janette die Bedeutung von WeChat für die Kommunikation in China zusammen. Sie hat mehrere Jahre in Peking gelebt und dort für OSK China gearbeitet, bevor sie zurück nach Köln kam. Janette startete 2009 und war Gründungsmitglied des Pekinger Büros, vier Jahre später folgte Alexander und übernahm die Standortleitung von Janette. Für über drei Jahre war Peking Alexanders Zuhause. Als er 2014 nach China zog, ging ohne die Anwendung schon nichts mehr. Janette hingegen beobachtete den Siegeszug des Messengers von Beginn an.

Beide haben miterlebt, wie der Dienst Arbeitsabläufe, den privaten Austausch und Kommunikationsgewohnheiten nachhaltig verändert hat. Janette und Alexander sind während ihrer Zeit in Peking zu WeChat-Experten geworden. Im Interview, das in voller Länge in unserem WeChat-Guide zu finden ist, erklären sie, für welche Unternehmen die App interessant ist, wie der Messenger die Arbeitskommunikation umgekrempelt hat und mit welchen Inhalten Marken auffallen.

WeChat - Janette und Alex

Inwieweit war euch WeChat ein Begriff, als ihr nach China gegangen seid? Was wusstet ihr?

Janette: Ich bin 2009 nach China gezogen, WeChat startete erst 2011. Bei meiner Ankunft gab es die App also noch nicht. Persönlich habe ich Anfang 2012 etwas davon mitbekommen. Erst nutzten nur ein paar die App, dann immer mehr. Bald hat jeder nur noch über den Dienst kommuniziert, sowohl geschäftlich als auch privat. Andere Netzwerke wie Facebook gibt es in China nicht. Auch deshalb konnte sich WeChat so rasend schnell durchsetzen.

Alexander: Als ich in unser Pekinger Büro gewechselt bin, war WeChat bereits auf dem Markt. Vor meinem Umzug habe ich mich mit den chinesischen Kolleginnen und Kollegen ausgetauscht und mich informiert. Schnell war klar, dass ich mir die App aufs Smartphone ziehen musste. Denn sie ist Dreh- und Angelpunkt jeder Kommunikation.

Wie hat WeChat die chinesische Gesellschaft beeinflusst?

Janette: In Asien schaut jeder ständig aufs Smartphone. Wenn ich in Deutschland mit Freunden essen gehe und permanent aufs Handy starre, wird das als unhöflich empfunden. In China ist das ganz normal. WeChat hat das noch mal verstärkt. Du bekommst jeden Tag unzählige Messages. In abgeschwächter Form kennt jeder das von WhatsApp, aber das ist kein Vergleich. Wie oft checkt jemand pro Tag seinen Facebook-Messenger? Ich würde schätzen, so um die zehnmal. Bei WhatsApp ist es vielleicht das Doppelte. WeChat öffnet man an einem durchschnittlichen Tag 60- bis 70-mal. Das verdeutlicht, welche zentrale Rolle diese App als Kommunikationskanal spielt.

WeChat- Overview

Wie funktioniert geschäftliche Kommunikation auf WeChat?

Janette: Über entsprechende Gruppen. Sie funktionieren wie bei WhatsApp, nur eben mit Leuten von der Arbeit. Dort kommuniziert man direkt arbeitsbezogen, etwa zu Projekten.

Alexander: In Deutschland ist es noch nicht verbreitet, mit Kunden oder dem Chef in einer WhatsApp- Gruppe zu chatten. Ich würde sagen, die meiste arbeitsbezogene schriftliche Kommunikation läuft hierzulande noch via Mail. Das ist für mich ein Kernunterschied zu China.

Ich persönlich bin in Sachen Social Media recht zurückhaltend. Doch an WeChat geht kein Weg vorbei. Ich brauchte die App zum Aufbau und zur Pflege persönlicher Kontakte, denn anfangs kannte ich niemanden in Peking. Auf der anderen Seite läuft ein Großteil der Kundenkommunikation über die Anwendung. Wichtige Inhalte und große Dateien versendet man zwar noch via Mail, aber die schnelle Abstimmung passiert im Messenger. Wenn ich jemanden erreichen will, kann ich entweder eine E-Mail senden oder ich schreibe ihm auf WeChat. Dort bekomme ich ziemlich sicher weit schneller ein Feedback

Für welche Unternehmen bietet sich ein WeChat-Account an?

Janette: Unternehmen, die auf dem chinesischen Markt sind oder dorthin expandieren wollen, haben keine Alternative. In anderen Teilen der Welt wird der Messenger noch nicht so stark genutzt. Dennoch halte ich es für wichtig, dass Kommunikationsprofis die App kennen.WeChat hat die Kommunikation eines großen Landes wie China in wenigen Jahren auf den Kopf gestellt. Wer im Mobile-Markt mitreden will, muss wissen, wie der Messenger das geschafft hat. Denn die hier bekannten Apps haben nicht die Menge an Followern wie WeChat.

 

Über den Autor

Carsten Christian ist studierter Journalist und Kommunikationswissenschaftler, seinen Master-Abschluss hat er an der Uni Hamburg gemacht. Bevor er zur Agentur kam, war der Digital Native mehr als zwei Jahre für die Online- und Print-Ausgabe der Ruhr Nachrichten im Einsatz. Bei OSK arbeitet er als Team Lead Digital Content, auf dem Agentur-Blog schreibt Carsten über den Medienwandel und Trends im Bereich Digital-Kommunikation. Privat verfolgt er Neuigkeiten in der Videospiel- und Gaming-Szene und greift auch selbst zu Maus und Gamepad.

Dieser Artikel wurde vor mehr als einem Jahr veröffentlicht. Sein Inhalt ist möglicherweise nicht mehr aktuell.