DLD 2019

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Liebe Leserinnen, liebe Leser,

„Optimismus und Mut“ will die Digitalszene laut dem Motto der DLD-Konferenz versprühen, die gestern zu Ende ging. Sie gilt als eine Art Klassentreffen führender Digitalköpfe, bei dem mit Facebook-COO Sheryl Sandberg und Marketing-Professor Scott Galloway auch dieses Jahr wieder einige Branchengrößen vertreten waren. Neben den Schlagwörtern Optimismus und Mut ging es natürlich auch um konkrete Themen: So standen beispielsweise künstliche Intelligenz und das damit verbundene Tech-Rennen zwischen Europa, China und den USA im Fokus. Der aktuelle Weekly gibt eine Übersicht.

Viel Spaß beim Lesen!

Einige Gründe für Optimismus

Mindestens zwei Beispiele von der DLD geben Grund für Optimismus zwischen all den zu lösenden Problemen: Fatoumata Ba hat den Online-Marktplatz Jumia gegründet, der als erstes afrikanisches Start-up mit über einer Milliarde Dollar bewertet wurde. Mit Jumia habe sie gelernt, dass Unternehmen zur Lösung sozialer Probleme beitragen könnten, so Ba. Man habe sich mit kleinen lokalen Unternehmen zusammengetan und sie beim gemeinsamen Einkauf und der Lösung von Logistik-Problemen unterstützt. Auch in Asien gibt es positive Entwicklungen zu verzeichnen: Technologie habe wesentlich dazu beigetragen, rund 600 Millionen Menschen aus der Armut zu führen, sagte der Politikexperte und Gründer des Beratungsunternehmens FutureMap, Parag Khanna. Was die beiden Beispiele zeigen: Es braucht Vertrauen in neue Technologien, um fundamentale Änderungen herbeizuführen.

KI wird größer als die Erfindung der Elektrizität

Kai-Fu Lee gilt als einer der führenden Experten für künstliche Intelligenz und beschäftigt sich seit 30 Jahren mit dem Thema. Er stellte seine Vision von der Entwicklung des globalen KI-Marktes in sieben Thesen vor: Aus seiner Sicht ist die künstliche Intelligenz größer und wichtiger als die Erfindung der Elektrizität, weil sie in jeder Industrie genutzt werde, die Kosten senke und die Performance erhöhe. Zudem werde sie sich wegen ihrer Cloudfähigkeit viel schneller durchsetzen als die Elektrizität. Für Europa hat Kai-Fu Lee nicht so gute Nachrichten. Zwar sei der Kontinent gut in der KI-Forschung, lande aber letztlich nur auf dem Bronzemedaillen-Rang. Zu wenig, um zu bestehen. Eine Technik, die sich so rasant entwickelt, bleibt nicht ohne Folgen auf die Arbeitswelt: In den nächsten 15 Jahren werden seiner Schätzung nah 40 Prozent der Jobs betroffen sein. Doch: Es gebe auch viele Bereiche, in denen Menschen überlegen seien und ihre Jobs behielten, zum Beispiel wenn sie über Fähigkeiten wie Kreativität, Strategie, Planung oder Entscheidung bei Unwägbarkeiten verfügten.

Wird Europa im Bereich KI unterschätzt?

Auch von Diego Piacentini sollte man eigentlich ein vernichtendes Urteil über Europas digitale Hoffnungen erwarten. Der Mailänder baute ab dem Jahr 2000 Amazons internationales Geschäft auf und wurde zu einem der wichtigsten Manager von Amazon-Chef Jeff Bezos. 2016 kehrte er nach Italien zurück. Piacentini sieht viele Bereiche, in denen europäische Digitalunternehmen mit der US-Konkurrenz mindestens auf Augenhöhe seien: beim digitalen Bezahlen, bei Gesundheitsdiensten, im Maschinenbau oder bei KI-Anwendungen. Bei den Plattformkämpfen der 2000er- und 2010er-Jahre sei die Kleinteiligkeit Europas ein Nachteil gewesen, so Piacentini. Bei den Geschäftsfeldern, die aktuell aufgeteilt werden, sei pure Größe dagegen selten entscheidend. Netzwerkeffekte und Datenberge, die Amazon zum Beispiel halfen, kleinere Online-Marktplätze platt zu walzen, gebe es in diesen Märkten nicht oder sie funktionierten anders.

Diese Ansicht teilt auch Chris Boos: „Nicht alle Probleme lassen sich mit Daten lösen.“ Die Europäer stünden besser da, als oft behauptet werde, argumentiert der Co-Gründer eines KI-Pioniers aus Frankfurt. „Wir besitzen das nötige Wissen über Industrie, Wirtschaft und Prozesse in den Fabriken oder beim Maschinenbau, das für gute KI unabdingbar ist“, sagt Boos.

„Wer glaubt, dass wir wegen Robotern arbeitslos werden, muss starke Drogen nehmen“

Keine Angst vor künstlicher Intelligenz, denn es wird sich in Zukunft viel ändern, aber der Mensch wird nicht von der Maschine dominiert werden. Auch diese These positionierte Chris Boos auf der DLD. Seine humorvolle und unkonventionelle Art, über das abstrakte Thema KI zu sprechen, kam beim Publikum laut Focus gut an. Seiner Meinung nach ist der Begriff „künstliche Intelligenz“ unglücklich gewählt, denn er mache den Menschen Angst und erwecke den Eindruck, Computer seien von sich aus intelligent. „Künstliche Intelligenz bedeutet nicht, dass Computer etwas verstehen, Computer verstehen gar nichts. Computer können nur das, was wir ihnen beibringen“, erklärte Boos.

Boos sieht in allen Branchen Anwendungsfelder, besonders jedoch in der Logistikbranche, in der autonomes Fahren viel verändern werde, zudem in allen Bereichen, in denen individuelle Automation Vorteile bringt. „Ein gutes Beispiel ist die Tierzucht oder der Bereich Landwirtschaft. Hier bedeutet Individualisierung, dass nicht alle Hühner gleich viel Antibiotikum bekommen, nur weil eines krank ist (…).“

Bayern will eine Rakete ins All schicken

Ein Astrophysik-Programm der Ludwig-Maximilians-Universität München hat laut FAZ auf der DLD verkündet, in sieben Jahren einen eigenen Forschungssatelliten ins Weltall schicken zu wollen. Zwar schickten deutsche Forschungsorganisationen oder Unternehmen häufiger Satelliten ins All, doch dieses Mal solle auch die Rakete von einem bayerischen Raumfahrtunternehmen stammen. „Isar Aerospace“ heiße das Start-up von ehemaligen Studenten der Technischen Universität, das plane, in drei Jahren marktfähige Raketen für kleinere bis mittlere Satelliten anbieten zu können.
„Wir haben Raketenantriebe an der Universität entwickelt und eines Tages haben uns Unternehmen angerufen und wollten diese Antriebe kaufen“, sagt Mitgründer Daniel Metzler. So ist ein Unternehmen aus Bayern entstanden, das Elon Musks privates Raumfahrtunternehmen SpaceX herausfordern möchte.

Facebooks Charme-Offensive verläuft im Sandberg

Facebook-Vorstand Sheryl Sandberg startete auf der DLD eine Charme-Offensive, wie welt.de schreibt. Die Nummer zwei hinter Mark Zuckerberg verkündete in München, Facebook wolle das Vertrauen der Menschen zurückgewinnen, und gab zu, dass der Konzern in den vergangenen Jahren massive Fehler gemacht habe.
Gleichzeitig warnte sie vor zu viel Kontrolle und Regulierung. Sandberg erklärte, was man besser machen wolle, um schließlich neue Partnerschaften zu verkünden und eine Ablasszahlung in Form von umgerechnet knapp 6,6 Millionen Euro für den neuen KI-Ethik-Lehrstuhl zu verteilen.
Der Artikel zitiert einige Reaktionen des Publikums und aus dem Social Web:
„Erwartbar“
„Nichts Neues“
„Verpasste Chance, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen“

Alles sehr „awesome“ hier

„Die wenigsten Gäste sind Einmann-Feuerwerke, manche klingen eher wie ihre fleischgewordene Pressemitteilung.“ So launig fasst Spiegel-Wirtschaftsredakteur Martin U. Müller die DLD zusammen. Die angekündigten Vorträge empfinde er nicht als Lockmittel, zur Konferenz zu kommen, denn die könne er sich auch im Livestream im Büro anschauen. Wer das tue, höre sehr oft Ausdrücke wie „super exciting“, „awesome“ oder „fantastic“, stets mit mindestens einem Ausrufezeichen. Kein Wunder, dass viele Vorträge den Spiegel-Redakteur nicht überzeugen. Er rät stattdessen zu einigen in Deutschland unbekannteren Rednern, wie zum Beispiel dem bereits weiter oben erwähnten Investor Kai-Fu Lee.

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Über den Autor

Carsten Christian ist studierter Journalist und Kommunikationswissenschaftler, seinen Master-Abschluss hat er an der Uni Hamburg gemacht. Bevor er zur Agentur kam, war der Digital Native mehr als zwei Jahre für die Online- und Print-Ausgabe der Ruhr Nachrichten im Einsatz. Bei OSK arbeitet er als Team Lead Digital Content, auf dem Agentur-Blog schreibt Carsten über den Medienwandel und Trends im Bereich Digital-Kommunikation. Privat verfolgt er Neuigkeiten in der Videospiel- und Gaming-Szene und greift auch selbst zu Maus und Gamepad.

Dieser Artikel wurde vor mehr als einem Jahr veröffentlicht. Sein Inhalt ist möglicherweise nicht mehr aktuell.