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Bild und Text werden an einem bestimmten Ort zur Einheit: in der Redaktion. Das gilt nicht nur für Zeitungen und Magazine – auch Unternehmen schaffen ihre Publikationen oder Webpräsenzen im redaktionellen Kontext. Dabei ist es zweitrangig, aus welcher Branche das Unternehmen stammt, relevant ist das Ziel: eine perfekte Symbiose zwischen grafischen und textlichen Elementen. Und perfekt bedeutet hier sowohl die praktische Ebene, die Lesbarkeit des Textes, als auch die ästhetische: Das Gesamtergebnis soll Spaß machen.

Es soll „schön“ sein. Damit spielen nicht nur Fotos und Grafiken in den Bildbereich, sondern auch die gesamte grafische Gestaltung in Form von Design, Layout und Typografie. Diese Perfektion bedarf – neben der kompetenten Besetzung der Redaktion – vieler Faktoren: der passenden Typo, eines vernünftigen Satzspiegels, des richtigen Bildmaterials und schließlich formkorrekter und sinnreicher Inhalte. Doch die Mühe lohnt sich: Schließlich ist eine ausdrucksstarke Bild-Text-Verbindung der wirkungsvollste Weg, Informationen stilvoll und verständlich rüberzubringen.

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Eine Frage der Wahrnehmung

Bilder und Texte – beides nimmt der Mensch mit dem Auge wahr, denn beide sind visuelle Darstellungen. Trotzdem ist es für das menschliche Gehirn ein Unterschied, welche davon es vor sich hat: Bilder sind leichter zu verarbeiten. Die Verarbeitung von Text setzt voraus, aus mehreren Buchstaben (als quasi minimale visuelle Darstellungen) ein Wort zu bilden. Und aus all diesen Wörtern anschließend ganze Sätze.

Die Bedeutung eines Bildes hingegen erschließt sich dem Gehirn binnen weniger Sekunden – und der Betrachter hat in kürzester Zeit den gesamten Kontext der visuellen Darstellung verarbeitet. Oder – um es mit den Worten des Medienwissenschaftlers Neil Postman zu sagen: „Für Bilder gibt es kein ABC.“ Die komplexen Prozesse, die das Gehirn bei der Erfassung von Text durchläuft, machen es müde. Bilder lockern diesen Prozess auf – und garantieren am Ende eine länger andauernde Aufmerksamkeitsspanne. Das ist das Ziel jeder Publikation, denn für was sollte man publizieren, wenn nicht dafür, bis zum Ende gelesen zu werden?

Als Publisher Bild und Text zusammendenken

Kommunikationswissenschaftler Steffen-Peter Ballstaedt definiert drei mögliche Beziehungen zwischen Text und Bild:

  1. Der Text beschreibt, was das Bild zeigt (Kongruenz).
  2. Das Bild füllt die Leerstellen des Textes aus und umgekehrt (Komplementarität).
  3. Der Text geht über die Bild- oder das Bild über die Textinhalte hinaus (Elaboration).

Je nachdem also, für welchen Zweck Bild und Text zusammengebracht werden, unterscheiden sich die ideale Art und Weise der Umsetzung sowie die Bedeutung ihrer „Koexistenz“. Grundsätzlich kann man sagen, dass es drei Hauptfunktionen von Bild-Text-Botschaften gibt: Sie leiten ein (Aufmerksamkeit), sie machen das Produkt ästhetisch (Emotionalität) und sie verknüpfen Inhalt und Semantik (Verständnis).

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Dabei ist die Aussage, die dem Leser mit dem Bild an die Hand gegeben wird, abhängig vom Text, den sie unterstreicht. Und zwar weit mehr, als es die Textaussage von beigefügten Fotos, Grafiken und Illustrationen ist. Dieses Prinzip hat seine Ursache in der generellen Offenheit eines Bildes – es kann verschieden interpretiert werden und benötigt im redaktionellen Kontext deshalb immer einen erklärenden Text zur Spezifikation.

„Bilder allein sind oft mehrdeutig. Sprachliche Ergänzungen haben die Aufgabe, die Mehrdeutigkeit der Bilder für den Adressaten einzuschränken und die Interpretation zu präzisieren.“ (Werner Kroeber-Riel, Marketingwissenschaftler, †1995)

Das Bild unterstreicht den Text

Um Bild und Text zusammenzudenken, muss der Publisher also verstehen, dass das Bild den Text unterstreicht. Es tut das, indem es ihn leichter verständlich macht und der Text – vice versa – durch seine erklärende Rahmenfunktion dann einen konkreten Sinnzusammenhang herstellt. Das heißt: Sobald Text und Bild ineinandergreifen, verdoppelt sich die Information – und das erleichtert den Wissenserwerb.

Dieses Phänomen ist besonders für die Beziehung zwischen Onlinemedium und Leser relevant: Im Social Web entsteht Viralität vor allem über Bilder, denn sie erzeugen die notwendigen Emotionen beim Konsumenten (und auch die Zahlen von Traffic und Conversion sind stark abhängig von der Einbindung optischer Elemente). Das zeigt sich sowohl hinsichtlich Accounts auf erfolgreichen Plattformen wie Instagram und Pinterest, die ausschließlich dem Austausch von Fotos dienen. Aber auch die sich ständig verändernden Möglichkeiten, auf Facebook und Co Bilder und Grafiken einzubinden, machen diese Abhängigkeit deutlich. Denn diese Entwicklung ist eine Reaktion auf die immer weiter ansteigende Popularität von visuellem Content – auch für Unternehmen.

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Wir brauchen Visualität!

Das hat einen einfachen Grund. Seit der Leser nicht nur von Papier auf PC umgestiegen ist, sondern von Desktop auf Mobile, ist sein Geduldsfaden zunehmend dünner geworden: Fragen zur Geschichte? Wikipedia. Fragen zum Weg? Google Maps. Fragen zur Bewertung eines Restaurants? Yelp. Alles zielgerichtete, kurze Recherchen, die dennoch nicht ohne Bild auskommen. Ob das Porträt von Karl Marx auf Wikipedia, die grafischen Minielemente von Google Maps oder das Foto des Restaurants auf Yelp … Wir brauchen Visualität! Sie erleichtert uns die Zuordnung der Inhalte und gibt uns sofort das befriedigende Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein.

Erst recht brauchen wir diese bildhafte Unterstützung bei länger andauernden Recherchen im Netz: Sehen wir einen Artikel auf Facebook, bringt uns meist das Teaserbild zum Klick. Es hilft uns zu selektieren – und trotz unseres permanenten Gefühls von Zeitmangel einen Blick auf die Buchstaben zu wagen, hinter denen sich meist erst der eigentliche Informationsgehalt verbirgt.

Im Mobile E-Commerce spielt dieser Fakt ebenfalls eine Rolle, denn hier konkurrieren Text und Bild gegen das haptische Erlebnis beim Offlineshopping. Ein potenzieller Kunde muss das Produkt sofort erkennen – und es haben wollen! Das geht, wie die bisherigen Argumente deutlich machen, nur über das Bild (natürlich im Responsive Design). Erst danach kommt der Text mit seinen Hardfacts und seinem Storytelling, um den potenziellen Kunden endgültig zum Käufer zu machen. Oder – je nach CTA, also Handlungsaufforderung – zum Klicken, Liken, Teilen zu bewegen.

Die Umsetzung

So sehr Bild und Text im redaktionellen Ergebnis in einer Einheit aufgehen sollen, so sehr sind sie im Vorfeld dennoch getrennt zu denken. Bevor es ans Design Briefing geht, muss der bildunabhängige Content (also jeder Text, der nicht – wie beispielsweise Bildunterschriften – zu einem grafischen Element gehört) bereits stehen, und zwar samt Planung, Produktion und Auswertung. Das hat ganz praktische Gründe – zum Beispiel hinsichtlich des verfügbaren Platzes auf der Website. Oder auch, was die Erstellung und/oder Auswahl des passenden Bildmaterials betrifft. Denn ändert sich der Text danach noch mal erheblich, war die ganze Arbeit gegebenenfalls fruchtlos. Das sehen übrigens auch Grafiker und Designer selbst so. Oliver Schönfeld, Wiener Designer, verfasste dazu schon 2013 folgende Fürsprache:

„Es ist … mühsam, nachher die Fehler des Layouts ausbessern zu müssen, weil man merkt, dass Inhalt und Form nicht zusammenpassen. So gesehen ist Lorem ipsum nur eine Zeitbombe. Das Auseinandersetzen mit dem Content erleichtert vieles, spart Zeit und Geld.“

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Kurz und knapp heißt das für die Projekt-Timeline „Text first! Design second“ – wie Miriam Löffler in ihrem Standardwerk „Think Content“ treffend sagt. Und trotzdem sieht auch die freie Trainerin für Content-Strategie Bilder als „Content-Erfolgsdauerbrenner“. Es geht also um einen gekoppelten Kreativprozess, der auf einer strikten Abfolge, aber auch auf Respekt basiert. Beide Abteilungen müssen wissen und vorher festlegen, wer welche Aufgaben übernimmt, und die abgemachten Deadlines dafür verlässlich einhalten, um dem anderen Bereich seine Arbeit zu erleichtern.

Ein fertiges Medium als Kunstwerk – Beispiele

Vergegenwärtigt man sich all die Grundlagen und Ebenen einer funktionierenden Bild-Text-Beziehung im fertigen Medium, kann man gut und gerne behaupten, dass am Ende ein Kunstwerk auf den Leser wartet. Gute Beispiele dafür sind Literaturmagazine wie „Kultur & Gespenster“ (Hamburg) und „Randnummer“ (Berlin/Hamburg), Travelmagazine wie „blue“ (München) oder „Sidetracked“ (UK). Aber auch Onlinemedien, allen voran die Foodblogs wie zum Beispiel „Krautkopf“ (Berlin) oder DIY-Blogs wie „SodapopDesign“ (Koblenz) stehen paradigmatisch für ein funktionierendes, weil durchdachtes Zusammenspiel von Text und Bild. All diese Beispiele zeigen anschaulich, wie eine harmonische Text-Bild-Konstellation aussehen kann – und wie wirksam es ist, wenn sie gelingt.

Vor dem Hintergrund des bisher Gesagten schaffen all diese Medien das, was am Anfang der Produktion als Ziel-Topic auf der Tagesordnung steht: Sie erregen Aufmerksamkeit, sie fügen der Information eine emotionale Ebene hinzu und sie sind verständlich, weil sie Inhalt und Semantik gekonnt verbinden. Das führt dazu, dass es Spaß macht, sich dem Medium hinzugeben. Und die Texte bis zum Ende zu lesen.

// Über die Autorin

Jenny V. Wirschky, M.A. ist Diplom-Journalistin und als Projektmanagerin im Verlagswesen tätig. Schon während des Studiums arbeitete sie als freie Texterin für Magazine, Zeitungen sowie im eCommerce und schreibt heute nebenbei vorwiegend für Stadtmagazine im On- und Offlinebereich. Für den OSK Blog schreibt Jenny als freie Autorin über unterschiedliche Themen der Publishing-Branche.

Dieser Artikel wurde vor mehr als einem Jahr veröffentlicht. Sein Inhalt ist möglicherweise nicht mehr aktuell.