Liebe Leserinnen, liebe Leser,
wirtschaftlich steht der Journalismus in Deutschland nach wie vor unter Druck. Die etablierte Finanzierungskombination aus Abo-Gebühren und Anzeigenverkauf funktioniert angesichts sinkender Printauflagen nicht mehr. Während Traditionshäuser wie der Kölner DuMont-Verlag über den kompletten Verkauf ihrer Printtitel nachdenken, entstehen anderswo im Netz neue journalistische Modelle – digital und live. Nicht nur für Verlage sind es spannende Zeiten – auch für PR-Experten. Ihnen bieten sich einerseits viele neue Möglichkeiten für die Kommunikation, andererseits sollten sie mit der steigenden Differenzierung bei Meinungsmachern Schritt halten und ihre Inhalte zur richtigen Zeit am richtigen Ort bereitstellen. Der aktuelle Weekly fasst die Entwicklungen zusammen.

Viel Spaß beim Lesen!

Milliarden-Magazin für Technologie-Optimisten

Frisch gestartet ist das Milliarden-Magazin, denn dafür steht die Abkürzung 1E9 (die Auflösung: 1 Mal 10 hoch 9, also eine Milliarde). Und die Milliarde hat einen ganz konkreten Bezug: „Wir dachten: Wenn eine neue Entwicklung das Leben von einer Milliarde Menschen verändert hat, dann hat sie die Welt verändert“, so schreiben es die Macher in ihrer Vorstellung. Themen und Zielgruppe von 1E9 sind spitz. Es geht um künstliche Intelligenz, Blockchain, neue Mobilität, Nachhaltigkeit, Genforschung, Raumfahrt oder virtuelle Realität. Flankiert werden Magazin und Community von Events, Auftakt ist die erste eigene Konferenz am 11. Juli in München. Eine Notwendigkeit für ein solches Angebot sehen die Anbieter deshalb, weil es in Deutschland bisher kein wirkliches Zuhause für Menschen gebe, die neue Technologien nicht nur als Gefahr betrachten und optimistisch in die Zukunft schauen. Hinter 1E9 steht ein Journalistenteam rund um Wolfgang Kerler, einst Redaktionsleiter der eingestellten deutschen wired.de. Das neue Angebot will auf Bannerwerbung verzichten und nur hochwertige Werbemöglichkeiten anbieten. Zudem ist Sponsoring bei den Veranstaltungen möglich.

Gestandene Journalisten werden Medienunternehmer

Er hat Jahrzehnte für etablierte Medienhäuser wie Spiegel oder Handelsblatt gearbeitet, seit einiger Zeit baut er sein eigenes journalistisches Unternehmen auf: Gabor Steingart. Mit seinem „Morning Briefing“, das er heute noch fortführt, fing noch zu Handelsblatt-Zeiten alles an. In diesem Jahr plant er, fünf bis zehn neue Podcasts zu starten. Zur Finanzierung sei für ihn eine Form der Mitgliedschaft für Leser und Hörer denkbar. Und offenbar ist Steingart auch bereits auf der Suche nach Investoren. Derzeit, so Steingart, verdiene er noch kein Geld und bezahle alles aus eigener Tasche. Er sei aber überzeugt, dass sich für interessante Produkte auch ein Geschäftsmodell finden werde. In dieser Woche ist auch bekannt geworden, dass sich Gabor Steingart prominente journalistische Unterstützung gesichert hat: Michael Bröcker, aktuell noch Chefredakteur der Rheinischen Post in Düsseldorf, wird mit von der Partie sein. Seinen Abschied von der RP hat Bröcker jedenfalls für Ende September angekündigt.

DuMont könnte alle Printtitel verkaufen

Ein Blick ins Lokale zeigt, wie schwer es geworden ist, mit Journalismus Geld zu verdienen. Der Traditionsverlag DuMont aus Köln (unter anderem Express, Kölner Stadt-Anzeiger, Berliner Zeitung) könnte sich daher zu einem radikalen Schritt entschließen: dem Verkauf aller Printtitel und Druckereien. Als die Pläne im Februar 2019 bekannt wurden, schlug CEO Christoph Bauer viel Häme entgegen. Der Vorstandschef will den Verlag zu einem „fast hundertprozentigen digitalen Unternehmen“ machen, wie er dem Handelsblatt sagte. DuMont sei und bleibe ein Inhalte-Haus und investiere in Inhalte, Daten und Technologie. Journalismus zähle er zu den Inhalten, die von Marketingtechnologie und Business Information flankiert würden, so der CEO weiter. Zugleich sieht Bauer aber auch viel mehr Möglichkeiten, Journalismus heutzutage zu verbreiten. Kernfrage bliebe nach wie vor die Finanzierbarkeit. Immerhin sei mittlerweile eine Zahlungsbereitschaft bei Lesern in der Digital-Ära zu finden. Nun gelte es, den Lesern kluge Angebote dazu zu machen. Dennoch könnten Paid-Modelle derzeit noch nicht annähernd die Printerlöse ersetzen.

Erfolg im hohen Norden

Wie Lokaljournalismus vielleicht funktionieren kann, zeigt die-pinnebergerin.de. Birgit Schmidt-Harder und Maike Heggblum betreiben das bunte Online-Lifestyle-Magazin gemeinsam. Von Pinneberg reicht ihr Einzugsbereich mittlerweile bis ins nahe Hamburg. Und mit ihren lokalen Lesern sind auch die lokalen Anzeigenkunden gewachsen. Allerdings muss man auf der Startseite manchmal schon genau hinschauen, um die Artikel, Tipps und Veranstaltungshinweise nicht mit den vielen Anzeigen zu verwechseln. Die Artikel selbst sind umfangreich und „magazinig“ im Layout. Die Autorinnen widmen sich dabei einer großen thematischen Bandbreite: Von der Konfirmation über Sonntagsshopping bis zum Lions Club reicht das Spektrum. Wer allerdings auf den Navigationspunkt „Reise“ klickt, erhält nur Anzeigen (Stand am 2. Mai 2019). Das Magazin finanziert sich komplett über Anzeigen, es gibt keine Paywall und kein Abo. Und natürlich haben die beiden Gründerinnen auch keinen Verlagsapparat wie eben DuMont. Und woher der Erfolg? „Wir laufen keinen News hinterher, die in den sozialen Medien schon längst Geschichte sind, und haben uns von der Chronistenpflicht der Tagespresse befreit. Was wir machen, macht Spaß. Mit uns macht sogar PR Spaß“, sagt Birgit Schmidt-Harder.

Lösungen statt nur Konflikte?

Ob Journalismus allerdings nur Spaß ist, ist eine andere Frage. Denn gerade bei Nachrichten-, Politik- oder Wirtschaftsjournalismus kann von Spaß nicht immer die Rede sein. Zu einer der Aufgaben von Journalisten zählt auch, Missstände und Skandale aufzudecken und über Katastrophen, Anschläge und Kriege zu berichten. Aber sind Nutzer von den ständigen Negativ-Schlagzeilen eventuell nur noch genervt und wollen deswegen nicht mehr für Journalismus zahlen? Seit einiger Zeit jedenfalls etabliert sich der „konstruktive“ oder auch „lösungsorientierte“ Journalismus. Bei dieser Herangehensweise berichtet ein Journalist nicht nur über einen Fakt, er versucht aufzuzeigen, wie eine Lösung aussehen kann. Beispiel: Plastikmüll ist ein riesiges Problem – aber es gibt auch heute schon Strategien zur Vermeidung. Diese aufzuzeigen, wäre lösungsorientierter Journalismus. An dem Modell gibt es auch Kritik, beispielsweise von Kai Gniffke, Chefredakteur ARD-aktuell. Innerhalb eines kurzen TV-Beitrags hätte ein solcher Ansatz wenig Platz, so seine Bedenken. Noch wichtiger aber sei für ihn, dass das Aufzeigen von Lösungen auf das Publikum so wirken könne, als hätte sich die Redaktion den Lösungansatz zu eigen gemacht. „Da haben wir mehr zu verlieren als zu gewinnen“, so das Fazit von Kai Gniffke.

Überall zu Hause: Mercedes me media

Wie die obigen Beispiele zeigen, wird nicht nur der Journalismus vielgestaltiger und kleinteiliger. Mit der Digitalisierung sind auch ganz neue Meinungsmacher entstanden: YouTuber zum Beispiel oder allgemein Influencer. Dies stellt auch PR-Profis in der Unternehmenskommunikation vor neue Herausforderungen. Wie sollen sie die vielen neuen Zielgruppen bedienen? Ein Beispiel geben Mercedes-Benz und OSK für den Bereich der Live-PR: Hier zeigt die gemeinsam entwickelte Plattform Mercedes me media, wie sich singuläre Live-Ereignisse zu mehrtägigen Kommunikationserlebnissen digitalisieren lassen. Als Highlight versetzt Mercedes me media jeden Teilnehmer am Bildschirm in die Situation eines Regisseurs. Es ist erstmals möglich, bei Live-Übertragungen zwischen verschiedenen Kamera-Perspektiven zu wechseln, ohne Ladezeiten und Verzögerung. Durch diese Auswahlmöglichkeit entsteht auch in einer Redaktion eine „Dabei-sein“-Atmosphäre. Außerdem können Medienmacher druckfähige Screenshots generieren, Redebeiträge in Echtzeit mitlesen, Zitate kopieren und direkt über die sozialen Netzwerke teilen oder in einen „Warenkorb“ speichern – auch mehrsprachig. So kann jeder User schnell und individuell für seinen eigenen Kanal berichten.

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