sebastian-turner-kleinUnternehmer, Gründer des medium magazins, ehemaliger Oberbürgermeisterkandidat von Stuttgart – das alles sind Stationen im Leben von Sebastian Turner. Er ist es auch, der hinter der Wiederbelebung des bekannten FAZ-Claims „Dahinter steckt immer ein kluger Kopf“ steht. Seit Anfang 2014 ist Turner Gesellschafter und – neben ZEIT-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo – Herausgeber des Tagesspiegel in Berlin. Der 49-Jährige erwarb zum 1. Januar 2014 zwanzig Prozent der Gesellschaftsanteile an der Tagesspiegel-Gruppe (GMZ) und ist nun Teil des hart umkämpften Berliner Tageszeitungsmarkts. Eine Herausforderung für Turner, denn die Auflagen der Berliner Blätter sinken seit Jahren, dazu kommt das „vergleichsweise niedrige Haushaltseinkommen der Hauptstädter“, wie Spiegel Online schreibt. Turner erkannte, dass der Tagesspiegel ein erweitertes Konzept braucht: „Durch die Digitalisierung haben die Leser alles ständig verfügbar. Da braucht uns am Ende kein Mensch mehr, wenn wir nichts Eigenes und Besonderes bieten.“ Das Vorhaben: Der Tagesspiegel soll den beiden großen Premium-Entscheidergruppen in der Hauptstadt, der Bundespolitik und den bundesweiten Meinungsbildnern, mehr bieten. Ein Konzept, das aufzugehen scheint. Der Tagesspiegel ist laut Turner erstmals die auflagenstärkste Qualitätszeitung in Berlin und gewinnt deutlich an Reichweite. Im OSK-Interview zur Zukunft des Journalismus zeigt sich, dass er immer noch derselben Meinung ist, wenn es darum geht, dass Medien sich der Schnelllebigkeit des Netzes anpassen müssen: „Durchsetzen wird sich das Schnelle und das Gute, unter Druck kommt das Langsame und das Durchschnittliche.“ Außerdem geht Sebastian Turner auf die Rolle ein, die der Fortschritt der Technik zukünftig für Redakteure spielen wird.

Sebastian Turner
Herausgeber und Mitinhaber des Tagesspiegel in Berlin

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1. Wie zeichnet sich Qualitätsjournalismus in Zukunft aus und was schadet ihm?

Qualitätsjournalismus ist auch in Zukunft unabhängig und verlässlich, er vermittelt Zusammenhänge, ordnet ein und macht sich dabei nicht gemein. Ihm schaden die schwindende wirtschaftliche Basis in den privaten Medien und die zunehmende politische Einflussnahme in den öffentlichen Medien. In dieser Gemengelage bildet sich eine neue kanalübergreifene Medien-Kategorie heraus – die Leitmedien. Sie bieten die beste Qualität, genießen das höchste Vertrauen und erreichen die anspruchsvollsten Leser – die Leitmilieus unserer Gesellschaft und damit auch die Leitmilieus von Marken und Produkten.

2. Was sind die großen Trends im Journalismus und was wird sich davon künftig durchsetzen?

Zu den großen Trends zählt die allgemeine Verfügbarkeit und damit auch Vergleichbarkeit fast aller Medien. Damit entsteht ein Wettbewerb ganz neuer Art, der sich positiv auf die Qualität auswirken kann. Durchsetzen wird sich das Schnelle und das Gute, unter Druck kommt das Langsame und das Durchschnittliche. Jedes Medium muss sich fragen, was es angesichts der Verfüg- und Vergleichbarkeit gegenüber anderen auszeichnet.

Durchsetzen wird sich das Schnelle und das Gute

3. Wie und wo recherchieren Sie nach guten und spannenden Inhalten?

Das können Alltagsbeobachtungen sein, Gespräche und dabei die naiven Fragen. Manchmal ist es auch das schlichte Nachdenken: Was wäre denn jetzt richtig und notwendig? Soziale Netzwerke, im ganz klassischen Stil, haben bei der Recherche übrigens schon eine Rolle gespielt, als es noch gar keinen Strom, keine Computer und auch kein Internet gab. Und sie werden auch dann noch eine Rolle spielen, wenn noch ganz andere, neue Möglichkeiten kommen.

4. Was muss man als Journalist künftig tun und können, um gelesen und wahrgenommen zu werden?

Zuhören, verstehen, denken, Originalität, das alles bleiben wichtige Merkmale. Neu und essenziell ist das technische Verständnis der Kommunikationswege. Aber auch das ist nichts Neues: Wer von Print kommt, muss beim Fernsehen in Bildern denken lernen, wer künftig kommuniziert, muss die Möglichkeiten der Interaktivität beherrschen.

// Über #ZukunftDesJournalismus

Mobiles Internet, immer leistungsfähigere Smartphones, neue Nachrichtendienste: Die Medienlandschaft verändert sich rasant und mit ihr der Journalismus. Viele Fragen bewegen die Branche: Ist die Tageszeitung ein Auslaufmodell, weil die jüngeren Zielgruppen aktuelle Nachrichten nur noch auf mobilen Endgeräten konsumieren? Erledigen bald Schreibroboter typische Routineaufgaben und machen damit einen Teil der Redakteure überflüssig? Mit welchen neuen journalistischen Darstellungsformen können Menschen erreicht werden, die immer weniger lesen und nur noch Bilder anschauen? Gemeinsam mit Journalisten und Medienmachern aus ganz unterschiedlichen Richtungen wagt OSK einen Blick in die Zukunft des Journalismus. Das Prinzip ist immer das gleiche: acht Fragen, acht Antworten. Stück für Stück entsteht so ein Bild, das belastbare Aussagen zu entscheidenden Trends von morgen und übermorgen ermöglicht.

5. Die technologischen Veränderungen sind rasant – wie müssen sich vor diesem Hintergrund der Journalismus verändern und dessen Anbieter anpassen?

Die spannende, wirklich herausfordernde Aufgabe liegt darin, herauszufinden, was durch die Technik möglich wird und was davon nützlich ist. Oder anders herum gesagt: Was nützlich wäre, aber bisher technisch nicht möglich war. Ich sehe darin eine kaum abschätzbare Chance für ein Medienhaus.

6. Wie verdient der Großteil der Medien künftig Geld?

In den Märkten, in denen sie sich ein Alleinstellungsmerkmal erarbeiten. Das kann eine Region, ein Thema oder eine Gruppe sein.

7. Wie sehen Ihrer Ansicht nach journalistische Inhalte und die Angebotslandschaft in fünf Jahren aus?

Beim Tagesspiegel arbeiten wir an hyperlokalen Angeboten, B2B-Angeboten, Veranstaltungen, neuen technischen Lösungen und verbesserten Printprodukten. Ich hoffe, alles wird so gut, dass es in fünf Jahren – sicher in dann weiterentwickelter Form – Bestand hat und wir unseren Anspruch, Leitmedium der Hauptstadt zu sein, auch in Zukunft einlösen. Die ersten Anzeichen sind jedenfalls ermutigend: Wir haben in den letzten Jahren neue Leser und Nutzer (steigende Reichweiten) und neue Anzeigenkunden und Kooperationspartner finden können.

8. Welches Medium fehlt heute noch auf dem Markt?

Wenn ich das herausgefunden habe, mache ich es.

Hier gelangt ihr zu den anderen Teilen der Serie #ZukunftDesJournalismus.

 

Über den Autor

Carsten Christian ist studierter Journalist und Kommunikationswissenschaftler, seinen Master-Abschluss hat er an der Uni Hamburg gemacht. Bevor er zur Agentur kam, war der Digital Native mehr als zwei Jahre für die Online- und Print-Ausgabe der Ruhr Nachrichten im Einsatz. Bei OSK arbeitet er als Team Lead Digital Content, auf dem Agentur-Blog schreibt Carsten über den Medienwandel und Trends im Bereich Digital-Kommunikation. Privat verfolgt er Neuigkeiten in der Videospiel- und Gaming-Szene und greift auch selbst zu Maus und Gamepad.

Dieser Artikel wurde vor mehr als einem Jahr veröffentlicht. Sein Inhalt ist möglicherweise nicht mehr aktuell.