Autonomes Fahren

 

Autonomes Fahren kann im Zusammenspiel mit Elektromobilität die dringendsten Herausforderungen in Sachen Verkehr, Klimaschutz und Entlastung der Innenstädte meistern – wenn wir den Mut zum Umdenken aufbringen.

Komplett selbstständig und ohne jedes Zutun des Fahrers: Vollautonomes Fahren auf der höchsten Autonomiestufe, das sogenannte Level 5, ist der heilige Gral des autonomen Fahrens. Viele nehmen diese Stufe als Vervollkommnung der technischen Möglichkeiten wahr – als den Idealzustand der Mobilität von morgen.

Doch Level 5 ist nicht der Gipfel der Entwicklung, sondern das Basislager. Es schafft die technische Grundlage, um Mobilität und Logistik neu zu denken. Denn vollautonomes Fahren bedeutet weit mehr, als die Hände vom Lenkrad und die Füße von den Pedalen zu nehmen.

Level 5 ist nicht der Gipfel der Entwicklung, sondern das Basislager.

Gehen wir für einen Moment davon aus, dass alle Interessensgruppen aus Politik und Industrie sowie Privatpersonen ein gemeinsames Ziel verfolgen: Wir wollen effiziente, ökologisch vertretbare, bequeme und sichere Mobilität. Diese Motive lassen sich nur dann vereinen, wenn wir uns von der oft kleinteiligen Mobilität der Gegenwart verabschieden.

Stattdessen brauchen wir den Mut, uns auf vernetzte Mobilitätslösungen einzulassen. Ansonsten bleibt autonomes Fahren allenfalls ein Gimmick, und unsere dringendsten Herausforderungen in Sachen Verkehr, Klimaschutz und Entlastung der Innenstädte bleiben ungelöst.

Zum Umdenken gehört zum Beispiel, autonomes Fahren und Elektromobilität nicht mehr als zufällig gleichzeitig verlaufende Entwicklungen zu begreifen. Autonomes Fahren und Elektromobilität sind sich gegenseitig bedingende Evolutionsschritte zu einer Mobilität, die in fast allen Bereichen mehr kann, als wir es heute erleben.

Verbesserte Effizienz und Ökologie

Ein einzelnes Elektrofahrzeug ist aufgrund beschränkter Reichweite und Zuladung nicht umfassend für alle Einsatzzwecke geeignet. Beim autonomen Fahren auf Level 5 werden Elektrofahrzeuge zum Teil eines übergreifenden Mobilitätssystems mit intelligenter Bedarfs- und Flottenplanung sowie einer integrierten Lade-Infrastruktur.

Beim autonomen Fahren auf Level 5 werden Elektrofahrzeuge Teil eines übergreifenden Mobilitätssystems.

Das ermöglicht, den Güter- und Personenverkehr präzise zu steuern und die Bedarfe sinnvoll auf verschiedene Verkehrsträger zu verteilen. Das Ergebnis: ein deutlich besserer Verkehrsfluss mit weniger Verkehrsteilnehmern, eine lokal komplett emissionsfreie Mobilität, eine bessere Ausnutzung von Ressourcen und eine höheres Maß an Flexibilität.

Für den einzelnen Nutzer verliert das Thema der Energieversorgung an Bedeutung. Denn zum Gesamtsystem gehört auch, dass Fahrzeuge zu Zeiten geringerer Auslastung geladen werden und sich selbst eine entsprechende Ladestation suchen.

Mehr Komfort und Sicherheit

Durch die Vernetzung steigt auch der Komfort. Kürzere Fahrzeiten dank des verbesserten Verkehrsflusses und das reibungslose Zusammenspiel verschiedener Verkehrsmittel sind nur zwei Gründe.

Die Fahrt ist nicht mehr festgelegt auf einen bestimmten Verkehrsträger. Die Wahl orientiert sich in einem vernetzten System vornehmlich daran, wie Menschen zum jeweiligen Zeitpunkt möglichst schnell, sicher und bequem von A nach B kommen.

Die Fahrt ist nicht mehr festgelegt auf einen bestimmten Verkehrsträger.

Ob mit dem selbstfahrenden Auto oder dem ÖPNV, ob zu Fuß oder mit dem Fahrrad – oder mit einer sinnvollen Kombination daraus.

Zudem werden neue Services rund um die Mobilität entstehen. Zum einen innovative und hochflexible On-Demand-Ride-Sharing-Angebote nach Vorbild von Viavan, dem Joint Venture von Mercedes-Benz und Via.

Zum anderen könnten sich neue mobile Shoppingservices etablieren, bei denen der Kunde zum Beispiel morgens per Smartphone einkauft und seine Waren abends an einem günstigen Punkt seines Heimwegs entgegennimmt.

Auch Sicherheit wird durch autonomes Fahren deutlich ansteigen. Das ist nicht nur durch Studien, sondern auch durch Wirkung bisheriger technischer Innovationen wie Bremsassistenten und Ähnlichem hinreichend belegt.

Autonomes Fahren bedeutet noch mehr

Eine höchst effiziente Nutzung der bestehenden baulichen Infrastruktur, eine verbesserte Ökobilanz durch den Einsatz nachhaltiger Energiequellen für Elektroautos und mehr Komfort für jeden Einzelnen durch intelligente Transportsysteme: Das sind die augenscheinlichen Verbesserungen, die autonome Fahrzeuge auf Level-5-Niveau mit sich bringen.

Gebündelt und in der weiteren Konsequenz bedeutet dies jedoch wesentlich mehr. Autonomes Fahren – zu Ende gedacht – kann das Bild unserer Städte grundlegend zum Positiven verändern. Weniger Verkehr führt automatisch zu weniger Lärm, zumal sich die Fahrzeuge mit Elektroantrieb nahezu lautlos bewegen werden.

Weniger Verkehr führt automatisch zu weniger Lärm.

Straßen und Parkhäuser, die aufgrund der neuen Verkehrswegeplanung nicht mehr im bisherigen Umfang benötigt werden, können zurückgebaut oder anders verwendet werden. So entsteht neuer Raum für eine städtebauliche Umgestaltung mit Parks oder Cafés als Oasen der Ruhe oder der Kultur mitten in der Stadt.

Alternativ kann der gewonnene Platz für den dringend benötigten Wohnraum an höchst attraktiven, zentrumsnahen Standorten genutzt werden. Bei einem gleichbleibend hohen Mobilitätsniveau eröffnet diese Entwicklung unter dem Strich die Chance auf eine höhere Lebensqualität für alle Stadtbewohner.

Das ist das eigentliche Potenzial autonomer Fahrzeuge. Und Level5 ist der Ausgangspunkt.

Dieser Artikel erschien zuerst als Bilanz-Kolumne auf welt.de.

Über den Autor

Michael Kemme ist Geschäftsführer bei Oliver Schrott Kommunikation. Seit 20 Jahren berät und betreut er Automotive-, Technologie- und Industrie-Unternehmen an der Schnittstelle von PR, Kommunikation und Marketing. Für den OSK Blog schreibt er über die Agenturwelt und den Medienwandel. Dabei greift er aktuelle Themen und Aspekte auf, die ihm im Rahmen seiner Arbeit für internationale Kunden und Marken begegnen. Michael Kemme ist Langstreckenläufer, Fußballfan und Tablet-Heavy-User. An Wochenenden ist er mit seinem Golden Retriever am Rhein unterwegs.

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