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tl;dr

  • Daniel Fiene ist Leiter Digitalstrategie Rheinische Post und Moderator bei Antenne Düsseldorf.
  • Das hohe Tempo im Netz setze Publisher unter Druck. “Sie müssen sich daran gewöhnen, in unterschiedlichen Tempi, in Echtzeit zu arbeiten.”
  • Der klassische Artikel sei nicht mehr zeitgemäß. Er werde zwar nicht aussterben, müsse sich aber verändern.
  • Journalisten müssen sich laut Daniel Fiene regelmäßig hinterfragen und prüfen: „Benutze ich aktuell die Werkzeuge, die von den Nutzern angefragt werden? Oder sind sie schon veraltet?”
  • In fünf Jahren werde Virtual Reality etabliert sein, sodass Publisher regelmäßig journalistische VR-Formate anbieten.

Daniel FieneMedien haben ihn schon immer fasziniert. Heute sind sie sein Beruf. Seit 2015 ist Daniel Fiene Head of Audience Engagement bei der Rheinischen Post. Nebenbei gibt er nicht nur inhouse Workshops bei der Rheinischen Post, sondern auch externe Fortbildungen, beispielsweise an der FFH Academy und der Landesanstalt für Medien NRW. Bereits 2001 ging er mit seinem ersten Blog online – kurz nachdem der Blog-Boom in den USA ausbrach. Auch heute bloggt er dort noch über Medienwandel, Social Media und Medienjournalismus. Im Interview mit OSK erklärt Daniel Fiene, warum Echtzeit und Empathie die wichtigen Treiber im Journalismus sind und weshalb der klassische Artikel nicht mehr zeitgemäß ist.

Über das Blog gelangte Daniel Fiene 2002 zum Radio. Dort wollte er anfangs eigentlich gar nicht hin, entdeckte dann aber schnell seine Leidenschaft für den Hörfunk. Seine Radiowurzeln liegen bei Radio Q, dem Campusradio für Münster und Steinfurt. Eines der ersten Formate war das Magazin „Was mit Medien“, das als Podcast ganz vorne in den iTunes-Charts mit dabei war. Die Sendung läuft heute noch immer wöchentlich auf DRadioWissen. Parallel arbeitet Daniel Fiene seit 2006 bei Antenne Düsseldorf, wo er sein Volontariat absolvierte und noch heute als Moderator tätig ist.

Daniel Fiene
Head of Audience Engagement Rheinische Post

Web: danielfiene.com
Twitter: @fiene
Facebook: Daniel Fiene
Instagram: dfiene
LinkedIn: Daniel Fiene
Xing: Daniel Fiene
Snapchat: danielfiene

1. Wie zeichnet sich Qualitätsjournalismus in Zukunft aus und was schadet ihm?

Jeder interpretiert Qualitätsjournalismus anders. Meiner Meinung nach sollte er glaubwürdig und transparent hinsichtlich der Quellen sein. Er darf nicht nur seiner eigenen Agenda folgen, sondern muss seine Themen aus Nutzersicht zusammenstellen. Ich glaube, die Prämisse, was Qualitätsjournalismus ist und was nicht, verändert sich eigentlich gar nicht. Das, was den Journalismus bisher gut gemacht hat, wird ihn auch in Zukunft auszeichnen. Dank der vielen technischen Möglichkeiten werden sich neue Darstellungsformen entwickeln.

Eine Herausforderung sehe ich in dem extrem hohen Tempo, in dem Nutzer heute Neuigkeiten erwarten. Mittlerweile wollen sie nicht nur einmal am Tag oder jede Stunde, sondern alle paar Minuten neue Informationen abrufen. Das setzt die Macher des Qualitätsjournalismus unter Druck. Sie müssen sich daran gewöhnen, in unterschiedlichen Tempi, in Echtzeit zu arbeiten. Mindestens genauso wichtig sind aber weiterhin ausgeruhte Hintergrundanalysen. Qualität wird in jedem Tempo erwartet.

Das Denken in Artikeln ist altmodisch.

2. Was sind die großen Trends im Journalismus und was wird sich davon künftig durchsetzen?

Echtzeit und Empathie sind zurzeit ganz wichtige Treiber im Journalismus, die in Deutschland von den Redaktionen allerding noch maßlos unterschätzt werden. Viele internationale Anbieter hingegen stellen sich bereits darauf ein, dass ein User alle fünf Minuten auf sein Smartphone schaut. Das Denken in Artikeln ist altmodisch, sie sind nicht mehr zeitgemäß. In Hinblick auf Darstellungsformen passiert gerade sehr viel. Snapchat ist da natürlich wahnsinnig interessant. Was die Liveticker in den 2000er-Jahren waren, ist 2016 Snapchat. Die App prägt gerade eine ganze Generation – das ist unglaublich spannend! Ein Blick in die USA, wo 50 Prozent der bis zu 35-Jährigen über Snapchat erreicht werden, zeigt die große Relevanz dieser Form der Ansprache. Um nicht als altbacken, angestaubt oder langweilig daherzukommen, müssen die Medien ihre Geschichten zukünftig ähnlich darstellen.

Der klassische Artikel wird nicht aussterben, aber er muss sich verändern. Ich könnte ihn mir beispielsweise als Echtzeit-Dossier vorstellen, dessen einzelne Textbausteine sich automatisch aktualisieren. Das kennt man aus dem Radio: Der Sprecher wiederholt das Wichtigste immer wieder, variiert aber die fünf bis sechs Elemente seiner Moderation. Er tauscht Informationen aus, nimmt eine neue herein, schiebt die eine nach vorne oder die andere nach hinten – je nachdem, was aktuell am Wichtigsten ist. Bisher orientieren sich Online-Nachrichtenmedien bei der Darstellung noch viel zu sehr an ihren Print-Ursprüngen – obwohl es inzwischen so viel mehr Möglichkeiten gibt.

3. Wie und wo recherchieren Sie nach guten und spannenden Inhalten?

Ich nutze Social Media als primäre Quelle. Twitter ist – in Hinblick auf den Umgang mit und der Verarbeitung von Informationen – mein Lieblingsnetzwerk, auch wenn es gerade angeblich im Sterben liegt. Die Tools, mit denen wir die Social-Media-Kanäle analysieren, verändern sich. Bei der Rheinischen Post haben wir kürzlich unser Listening-Center eingeführt, ein Social-Media-Analysetool, das über vierhundert Netzquellen untersucht. Dazu gehören unter anderem auch Printarchive.

Das Trendthema Big Data spielt mittlerweile eine viel größere Rolle als die persönlich kuratierte Liste. Die Qualität meines Feeds hängt natürlich von der Zusammenstellung meiner Follower-Liste ab. Wenn sich im Feed die wichtigsten Themenfelder wiederfinden, kommt man deutlich weiter und hat das Gefühl, zu wissen, worüber das Netz gerade spricht.

4. Was muss man als Journalist künftig tun und können, um gelesen und wahrgenommen zu werden?

Ganz wichtig sind handwerkliche Fähigkeiten. Ohne die journalistischen Standards geht es nicht. Viele Journalisten müssen sich außerdem auch stärkere moderative Fähigkeiten aneignen. Nur so schaffen sie es, den Echtzeit-Anforderungen gerecht zu werden, zwischen Nutzern und Themen zu vermitteln und stets ansprechbar zu sein. Es gibt noch weitere Kompetenzen, die in einigen Mediengattungen schon gängig sind. Aber speziell für Onliner, die ursprünglich eher aus dem Printbereich kommen, sind sie oftmals noch keine Selbstverständlichkeit.

Gerade mit Blick auf die hohe Geschwindigkeit, über die wir eingangs gesprochen haben, sind moderative Fähigkeiten besonders wichtig. Der Journalist hat die Aufgabe, Nutzer mit ähnlichen Interessen zusammenzubringen, Informationen zu sammeln und einzuordnen. Er ist ansprechbar und sozusagen ein Knotenpunkt im Netzwerk, an dem die Themen gebündelt werden.

// Über #ZukunftDesJournalismus
Mobiles Internet, immer leistungsfähigere Smartphones, neue Nachrichtendienste: Die Medienlandschaft verändert sich rasant und mit ihr der Journalismus. Viele Fragen bewegen die Branche: Ist die Tageszeitung ein Auslaufmodell, weil die jüngeren Zielgruppen aktuelle Nachrichten nur noch auf mobilen Endgeräten konsumieren? Erledigen bald Schreibroboter typische Routineaufgaben und machen damit einen Teil der Redakteure überflüssig? Mit welchen neuen journalistischen Darstellungsformen können Menschen erreicht werden, die immer weniger lesen und nur noch Bilder anschauen? Gemeinsam mit Journalisten und Medienmachern aus ganz unterschiedlichen Richtungen wagt OSK einen Blick in die Zukunft des Journalismus. Das Prinzip ist immer das gleiche: acht Fragen, acht Antworten. Stück für Stück entsteht so ein Bild, das belastbare Aussagen zu entscheidenden Trends von morgen und übermorgen ermöglicht.

5. Die technologischen Veränderungen sind rasant – wie müssen sich vor diesem Hintergrund der Journalismus verändern und dessen Anbieter anpassen?

Viele denken sich: „Jetzt muss ich mich ja schon wieder verändern!“ Ich glaube, die einzige Konstante für Journalisten ist die Veränderung. Deswegen ist es meiner Meinung nach wichtig, dass man sich ständig selbst überprüft und fragt: „Benutze ich aktuell die Werkzeuge, die von den Nutzern angefragt werden? Oder sind sie schon veraltet?“ Man sollte jedes Jahr in den Werkzeugkasten schauen, ein, zwei Apps hinzunehmen und dafür das ein oder andere verrostete Tool herausschmeißen – sich auch mal von Dingen zu verabschieden ist überhaupt kein Drama.

Im Journalismus schreiben wir die ganze Zeit über Veränderungen. Wenn es aber um die eigenen, lieb gewonnenen Routinen geht, tun wir uns viel schwerer. Das ist meiner Meinung nach der Kernpunkt: Als Journalist muss man bereit sein, sich ständig selbst zu überprüfen. Diejenigen, die das schaffen, sind oft viel zufriedener mit ihrem Job und liefern bessere Ergebnisse ab.

6. Wie verdient der Großteil der Medien künftig Geld?

Im Grunde war es ja schon immer so, dass man mit News an sich wenig Geld verdient hat. Es waren und sind immer Mischgeschäfte. Geld verdient man mit den Services, die man sich drum herum aufbaut. Digitale Marken, die eher einen Club-Gedanken pflegen, können daher viel erfolgreicher sein – das funktioniert ja bereits heute sehr gut. Wenn man die Bedürfnisse der Nutzer kennt und erfüllt, dann kann man gutes Geld verdienen. Einfacher wird es, wenn man ein hoch spezialisiertes Thema und eine spezielle Nutzerschaft hat. Je spezieller die Nutzer, desto höher die Preise, die man für die Informationen und den Service verlangen kann. Im Medien-Massenmarkt funktioniert das allerdings nicht so leicht.

Das Problem von Paid Content war bisher, dass die Modelle aus Sicht der Medienmarke und nicht des Nutzers entwickelt wurden – das funktioniert nicht. Für eine Nachricht will der Nutzer nichts bezahlen, das war aber – wie gesagt – schon immer so. Ich glaube eher, dass die Nutzer zukünftig aus Bequemlichkeit bezahlen werden. Dafür muss man allerdings ihre Bedürfnisse genau kennen und darauf aufbauend ein Angebot zusammenstellen.

In fünf Jahren werden wir uns an Virtual Reality gewöhnt haben.

7. Wie sehen Ihrer Ansicht nach journalistische Inhalte und die Angebotslandschaft in fünf Jahren aus?

In fünf Jahren werden definitiv neue Player den Markt mitprägen. Viele der Namen, über die wir jetzt sprechen, hatten wir vorher noch gar nicht auf dem Zettel. In fünf Jahren werden wir uns auch viel mehr an Virtual Reality gewöhnt und neue Konzepte etabliert haben, um auch dort regelmäßig journalistische Formate anzubieten. Vielleicht gibt es dann sogar komplette Medienangebote, die nur in der virtuellen Realität funktionieren. Die werden den klassischen Artikel allerdings nicht auf einmal verdrängen.

Das Problem von Virtual Reality ist, dass es bisher noch zu wenige Geräte im Markt gibt. Bevor man sich eine Brille kauft, möchte man sie erst einmal testen. Dieser Effekt wird dadurch verstärkt, dass man zusätzlich viel Geld investieren muss. Erst wenn es mehr Geräte gibt, wird sich eine größere Anzahl Menschen in die Virtual Reality begeben – aber ich denke, es ist nur eine Frage der Zeit, bis dieser Trend abhebt.

8. Welches Medium fehlt heute noch auf dem Markt?

Ich finde es interessant, dass wir in den letzten Monaten wieder sehr häufig über Podcasts reden. Oft wird bemängelt, dass es so wenig neue Formate im Netz gibt. Betrachtet man jedoch den Audiobereich, stellt man fest, dass gerade dort neue spannende Möglichkeiten entstehen – nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland. Magazine und Talkrunden, spielerische Elemente und Dokumentationen – dort findet man eine interessante Vielfalt, die man sich vielleicht auch an anderer Stelle wünschen würde. Das Problem ist nur – und dafür wünsche ich mir eine technische Innovation – dass Audio immer noch schlecht zugänglich ist.

In der digitalen Szene werden Berichte, die verlink- und visualisierbar sind, die man in einen Tweet verpacken kann, stärker wahrgenommen. Das funktioniert mit dem gesprochenen Wort einfach nicht. Nehmen wir Soundcloud als Beispiel. Die Möglichkeit, Kommentare an bestimmten Stellen im Player hinterlassen zu können, war eine große Erleichterung – ein erster Schritt, aber dort verbirgt sich noch deutlich mehr Potenzial. Ich würde mir wünschen, dass der Medienbruch zwischen Audio und den Mechanismen des Webs zukünftig überbrückt wird. Ich weiß nicht wie, aber das hoffe ich ganz stark.

Über den Autor

Carsten Christian ist studierter Journalist und Kommunikationswissenschaftler, seinen Master-Abschluss hat er an der Uni Hamburg gemacht. Bevor er zur Agentur kam, war der Digital Native mehr als zwei Jahre für die Online- und Print-Ausgabe der Ruhr Nachrichten im Einsatz. Bei OSK arbeitet er als Team Lead Digital Content, auf dem Agentur-Blog schreibt Carsten über den Medienwandel und Trends im Bereich Digital-Kommunikation. Privat verfolgt er Neuigkeiten in der Videospiel- und Gaming-Szene und greift auch selbst zu Maus und Gamepad.

Dieser Artikel wurde vor mehr als einem Jahr veröffentlicht. Sein Inhalt ist möglicherweise nicht mehr aktuell.