Apps in China - Gaming

Die Zahlen sind beeindruckend: 422 Millionen meist junge Menschen mit steigender Kaufkraft spielen in China Computerspiele. Laut des Marktforschungsunternehmens Jiguang sind zwei Drittel der Spieler jünger als 29 Jahre. Der Gesamtumsatz der Branche in China lag 2018 bei 37,9 Milliarden Dollar – in keinem Land setzt die Spieleindustrie mehr um. Deutschland liegt mit 4,7 Milliarden Dollar auf Platz vier. Über 60 Prozent des Gesamtumsatzes werden in der Branche mit Spielen fürs Smartphone erwirtschaftet und damit rund 23 Milliarden Dollar. 573 Millionen Menschen nutzen ihr Smartphone zum Spielen.

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Weltmarktführer bei den Computerspielen ist Tencent, der Betreiber von WeChat. Das Unternehmen entwickelt nicht nur eigenständig erfolgreiche Spiele, sondern hält auch die Mehrheit an Supercell (Clash of Clans) und Riot Games (League of Legends), das es 2015 übernommen hat.

An Activision Blizzard (Call of Duty), Ubisoft (Assassin’s Creed Odyssey) und Epic Games (Fortnite) ist Tencent beteiligt. Erfolgreichstes Spiel des Unternehmens ist weiterhin „Honour of Kings“, das dem weltweit erfolgreichsten Desktop-Spiel „League of Legends“ ähnelt. Seit drei Jahren gehört Letzteres ebenfalls zur Unternehmensfamilie. 2017 hatte das Spiel 200 Millionen Nutzer.

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Regulierter Markt

Chinesische Spielentwickler profitierten im Vergleich zu ihrer ausländischen Konkurrenz besonders stark von den regulatorischen Vorschriften des Landes. Ausländische Spielehersteller können in China nur Geschäfte machen, indem sie eine Spielelizenz an einen lokalen Hersteller verkaufen. Ein eigenes Unternehmen im Land können sie nicht gründen, sodass sie von ihren chinesischen Partnern abhängig sind.

Aber auch für chinesische Entwickler wird der Markt unberechenbarer. Bestes Beispiel dafür ist Tencent. Seit Anfang 2018 hat das Unternehmen fast 200 Milliarden US-Dollar (!) an Wert verloren. Grund für den Kurssturz waren niedrigere Einnahmen im Spiele-Geschäft des Konzerns sowie die wachsende Sorge der Anleger vor Chinas Haltung gegenüber der vitalen Industrie. Peking sieht in der Spieleindustrie die Gefahr, dass junge Menschen kurzsichtig oder sogar spielsüchtig werden könnten. Nachdem die chinesische Regierung ankündigte, ihren Kampf gegen Online-Spiele zu intensivieren, verlor das Unternehmen allein am 31. August über 20 Milliarden Dollar an Wert. Seit Jahresanfang fielen die Kurse von Tencent um insgesamt 40 Prozent. Damit gehört es seit Oktober nicht mehr zu den Top Ten der weltweit größten Firmen.

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Strenge Regeln

Um eine Spielelizenz zu bekommen, müssen alle Spiele ein zweistufiges Prüfverfahren durchlaufen. Zunächst überprüft das chinesische Kulturministerium in Peking das Spiel auf „sensible Inhalte“. Dabei geht es vor allem um gewaltverherrlichende und sexuell als unangemessen bewertete Inhalte. Eine Agentur beurteilt daraufhin, ob eine Lizenz vergeben werden soll und inwieweit die Firma kostenpflichtige Optionen innerhalb des Spieles anbieten darf.

Zwei international erfolgreiche Spiele von Tencent, PlayerUnknown’s Battlegrounds und Fortnite, sind aufgrund von Lizenzproblemen in China bisher nicht erschienen. Das Spiel Monster Hunter musste kurz nach dem Verkaufsstart wieder vom Markt genommen werden. Eine offizielle Begründung vonseiten der Behörden gab es nicht.

VR ist Staatswille

Ein neuer Trend, der sich in China früher als in anderen Ländern durchsetzen könnte, ist Virtual Reality. In vielen Städten gibt es inzwischen VR-Cafés, wo Kunden die Technologie ausprobieren können. 3.000 Arkaden soll es landesweit geben. Viele Bars und Restaurants stellen zudem kleine Kabinen auf, wo Kunden spielen können. Mit Kosten von rund 15 bis 20 Dollar pro VR-Brille in China sind diese für viele bezahlbar.

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Chinas Regierung hat aber nicht nur Interesse an VR für die Spieleindustrie. Im Gegenteil: Im aktuellen Fünfjahresplan, der bis 2020 läuft, wird die Entwicklung der neuen Technologie mehrfach genannt. Präsident Xi Jinping hat zuletzt mehrere VR-Forschungszentren besucht und sich auch mit einer VR-Brille in den Händen fotografieren lassen. Für die Techfirmen ist die Geste des Präsidenten ein klares Zeichen: VR-Entwicklung ist Staatswille.

Fang die Katze!

Auch deshalb arbeiten Alibaba, Tencent, Baidu und andere Internetfirmen wie Handyhersteller Xiaomi an eigenen VR-Projekten, investieren in Firmen in der Branche und in eigene Forschung. Chinesische Start-ups im VR-Bereich haben allein zwischen 2015 und 2016 über 543 Millionen US-Dollar an Risikokapital einsammeln können. Bis 2020 sollen die Umsätze im VR-Bereich auf bis zu 8,5 Milliarden Dollar klettern, schätzen Experten.

Was bereits im Bereich der Augmented Reality (AR) möglich ist, zeigte zuletzt der Handelskonzern Alibaba am Singles’ Day im November 2017. Nutzer konnten an dem Tag zum ersten Mal über die App in ihrer Umgebung wie beim Spiel Pokémon Go animierte Katzen suchen (das Logo der zu Alibaba gehörenden Online-Shoppingplattform Taobao ist eine schwarze Katze). Hatte ein Nutzer eine Katze gefunden, konnte er diese „fangen“ und erhielt dafür einen Gutschein für ein Geschäft in der Nähe. Viele der großen Firmen spielten mit, darunter Starbucks, Nike und KFC.

Die komplette Serie mit allen bisher erschienen Teilen der Reihe finden Sie hier.

Über den Autor

Oliver Nermerich ist Kommunikationswissenschaftler und lebt im Internet. Bei OSK arbeitet er als Manager Online/Social Media und entwickelt kundenübergreifend Strategien, Auftritte und Kampagnen für das Internet und mobile Anwendungen. Auch privat dreht sich bei ihm alles um die digitale Welt: Er gehört zum Autorenteam des Lifestyle-Blogs Whudat.de und betreibt mit Freunden das Rolling-Magazin "Be-Mag". Sein Smartphone gibt er nur aus der Hand, wenn er auf sein Board steigt und an der Algarve die nächste Welle surft. Für das OSK Blog spürt er die neuesten Trends und Entwicklungen im Netz auf und spricht mit Meinungsmachern und Digital Influencern.

Dieser Artikel wurde vor mehr als einem Jahr veröffentlicht. Sein Inhalt ist möglicherweise nicht mehr aktuell.