Dass sich die Medien im Wandel befinden, lässt sich ganz einfach nachvollziehen, wenn wir unser eigenes Mediennutzungsverhalten betrachten: Wir tauschen WhatsApp-Nachrichten aus und scannen den Facebook-Newsstream, noch ehe der Fuß aus dem Bett gesetzt ist. Geliked und geshared per Smartphone wird noch vor dem Duschen. Auf dem Weg zur Arbeit Musik über Spotify hören, parallel dazu geht’s wieder zurück auf Facebook. Ein Klick auf „Die 14 süßesten Tierbabys“, ein weiterer Klick auf das neueste Video vom angesagten YouTube-Star. Wir alle sind mittendrin im Medienwandel.

Fakt ist: Unser Medien- und Nachrichtenkonsum verändert sich – und das nicht erst seit gestern. Die „Digital Natives“ sind mit dem Internet und der mobilen Kommunikation groß geworden. Nachrichten und Informationen holen sie sich im Netz, suchen sich zusammen, was sie interessiert – zu jeder Zeit und von jedem Ort aus. Vor allem aber lesen sie kaum oder nur noch selten gedruckte Zeitungen.

Die klassische Zeitschrift auf Papier hat es ohnehin schwer. Die Printmedien kämpfen so stark wie nie zuvor ums Überleben. Neue journalistische Konzepte und Finanzierungsmodelle sind gefragt. Und die gibt es vor allem im Netz: Krautreporter, Buzzfeed oder Vice sind nur einige Beispiele. Fast täglich betreten neue, höchst innovative journalistische Anbieter den Markt. Mit kreativen Experimenten und neuen Strategien werben sie um die Aufmerksamkeit der Leser. Welche Nachrichtenanbieter aktuell auf die langfristig sinnvollste Strategie und das richtige Medium setzen, bleibt abzuwarten. Dem Journalismus stehen jedenfalls spannende Zeiten bevor. Wohin die Reise für alle Beteiligten geht, lässt sich momentan nur erahnen. Gemeinsam mit Experten möchten wir dennoch einen Blick in die Zukunft werfen. In unserer Serie „Zukunft des Journalismus“ werden wir in regelmäßiger Abfolge ausgewählte Journalisten zum Thema befragen und die Ergebnisse hier auf dem Blog präsentieren. Gemeinsam mit unseren Gesprächspartnern gehen wir den Fragen nach, auf welche Kommunikationstrends moderne Redaktionen setzen, welche Modelle Erfolg versprechen und wie Journalismus in Zukunft aussehen könnte.


mg„Die größte Herausforderung besteht wohl darin, Inhalte formgerecht für TV/Print/Radio auf der einen und für Web, Social und Mobile auf der anderen Seite aufzubereiten“, sagt Martin Giesler. Der Journalist arbeitet beim ZDF und sorgt dafür, dass TV und Online bessere Freunde werden. Das ist nicht immer leicht. Deshalb bloggt er auf martingiesler.deTwitter und auf Facebook unter anderem über die Zukunft des Journalismus und die Digitalisierung der Gesellschaft. Zudem ist Martin Giesler Herausgeber des Social Media Watchblogs, auf dem er wichtige Social-Media-Themen des Tages sichtet und sortiert. Den Newsletter des Social Media Watchblogs, der werktags pünktlich zum Frühstück erscheint, haben mehr als 1.000 Medieninteressierte, Journalisten und Influencer abonniert. Im Interview spricht der Experte darüber, vor welche Aufgaben der technische Fortschritt den Journalismus seiner Meinung nach stellt und was Anbieter von Medieninhalten zukünftig alles leisten müssen.

Martin Giesler
Redakteur beim ZDF und Blogger

Web: martingiesler.de
Twitter: @martingiesler
Facebook: /mrtngslr

1. Wie zeichnet sich Qualitätsjournalismus in Zukunft aus und was schadet ihm?

Qualitätsjournalismus ist ein großes, nichtssagendes Buzz-Wort. Journalismus sollte immer eine Form von Qualität besitzen. Egal ob es sich um unterhaltende oder informierende Angebote handelt. Müll hingegen ist kein Journalismus. Und alles, was nach Müll aussieht, aber als Journalismus verkauft wird, schadet dem Journalismus.

2. Was sind die großen Trends im Journalismus und was wird sich davon künftig durchsetzen?

Die eine Geschichte kann nicht auf allen Plattformen gleich gut funktionieren.

Die Digitalisierung der Medien und der Gesellschaft führt zu einer Reihe von Trends im Journalismus und in der Mediennutzung. Wir sehen vor allem einen Wandel vom schlichten Sender-Empfänger-Modell. Inhalte-Anbieter müssen heute mehr leisten, als nur in ein großes, schwarzes Loch zu senden. Die größte Herausforderung besteht wohl darin, Inhalte formgerecht für TV/Print/Radio auf der einen und für Web, Social und Mobile auf der anderen Seite aufzubereiten. Die eine Geschichte kann nicht auf allen Plattformen gleich gut funktionieren.

3. Wie und wo recherchieren Sie nach guten und spannenden Inhalten?

Für mich ist Twitter der tägliche Themenpuls. Nirgends werde ich aktueller über Ereignisse informiert. Daneben nutze ich einen wohlsortierten RSS-Feed und einen sehr aufgeräumten und in Listen verpackten Newsfeed bei Facebook. Agentur-Meldungen hingegen lese ich kaum. Pressemitteilungen erst recht nicht. Newsletter, in die ich ungefragt eingetragen wurde, sind das Schlimmste. Am Ende geht sowieso nichts über ein gutes Netzwerk an interessanten Menschen, die einen mit Themen konfrontieren und mit Nachrichten versorgen.

4. Was muss man als Journalist künftig tun und können, um gelesen und wahrgenommen zu werden?

Recherchieren, überprüfen, einordnen, schreiben, verpacken, verkaufen, diskutieren, redigieren, weiter recherchieren, überprüfen, einordnen … . Eigentlich alles so wie immer. Nur auf mehreren Plattformen und mit mehr Feedback – was großartig ist.

5. Die technologischen Veränderungen sind rasant – wie müssen sich vor diesem Hintergrund der Journalismus verändern und dessen Anbieter anpassen?

Technologie ist ein Motor der Gesellschaft. Wenn Menschen künftig etwa vor allem auf Smartphones Nachrichten nachfragen, dann kann es sich die Anbieter-Seite nicht leisten, noch klassisch für Print oder TV zu denken. Das wird nicht funktionieren. Inhalte-Anbieter sollten sich sehr genau anschauen, wie sie einerseits den technologischen Wandel für sich gewinnbringend nutzen können und andererseits kritisch begleiten können.

6. Wie verdient der Großteil der Medien künftig Geld?

Wir werden sehen, ob der ohnehin schon schmale Grat zwischen redaktionellen und PR-Inhalten noch weiter zurechtgestutzt wird – und vom User erkannt und im besten Fall nicht goutiert wird.

Es wird einen Mix aus Werbegeldern, Abo-Modellen und sicherlich auch Micro-Payments geben. Ich bin kein Fan von Native Advertising, fürchte aber, dass wir auch davon eine ganze Menge sehen werden in den kommenden Jahren. Vielleicht bin ich da aber auch zu pessimistisch, was die Medien-Kompetenz der Nutzer angeht. Wir werden sehen, ob der ohnehin schon schmale Grat zwischen redaktionellen und PR-Inhalten noch weiter zurechtgestutzt wird – und vom User erkannt und im besten Fall nicht goutiert wird.

7. Wie sehen Ihrer Ansicht nach journalistische Inhalte und die Angebotslandschaft in fünf Jahren aus?

Es wird einige extrem große, international agierende Player geben und eine schier unüberschaubare Anzahl von kleineren Nischen-Angeboten. Zudem wird es wohl auch vermehrt Corporate-Content-Angebote geben. Weltweit aufgestellte Firmen und Marken – von Apple bis Mario Götze – haben ein großes Interesse daran, selbst zum Medium zu werden.
Und die Tools dafür sind alle da.

8. Welches Medium fehlt heute noch auf dem Markt?

Mir fehlt in Deutschland ein Angebot, das mir neben Wikipedia alle Hintergründe zu aktuellen Ereignissen liefert, die ich brauchen könnte. Aktuell erlebe ich zu wenig langen Atem. Aber ich bin da ganz zuversichtlich, dass es so etwas bald geben wird.

Hier gelangt ihr zu den anderen Teilen der Serie #ZukunftDesJournalismus.

Über den Autor

Oliver Nermerich ist Kommunikationswissenschaftler und lebt im Internet. Bei OSK arbeitet er als Manager Online/Social Media und entwickelt kundenübergreifend Strategien, Auftritte und Kampagnen für das Internet und mobile Anwendungen. Auch privat dreht sich bei ihm alles um die digitale Welt: Er gehört zum Autorenteam des Lifestyle-Blogs Whudat.de und betreibt mit Freunden das Rolling-Magazin "Be-Mag". Sein Smartphone gibt er nur aus der Hand, wenn er auf sein Board steigt und an der Algarve die nächste Welle surft. Für das OSK Blog spürt er die neuesten Trends und Entwicklungen im Netz auf und spricht mit Meinungsmachern und Digital Influencern.

Dieser Artikel wurde vor mehr als einem Jahr veröffentlicht. Sein Inhalt ist möglicherweise nicht mehr aktuell.