© : Daryl William Collins„Rausgehen und gesehen werden.“ Diesen Rat gibt Daniel Bröckerhoff jungen Kollegen, die im Journalismus Fuß fassen wollen. Denn Erfolg sei auch eine Frage von Engagement, von „Bock“, sagt der freie Journalist, Autor und Blogger. Seit April 2015 moderiert Bröckerhoff die interaktive Nachrichtensendung „heute+“. Studiert hat der Journalist in Hamburg Volkskunde. Danach gings an die RTL Journalistenschule. Seit seinem Abschluss 2009 arbeitet er als Freiberufler, war unter anderem als Autor für das Medien-Magazin „ZAPP“, als Reporter für die Sendung „Klub Konkret“ und als Regisseur bei „ZDF.reporter unterwegs“ tätig. Dabei gab es eine Zeit lang noch eine Alternative zum Journalismus: Musiker und Schauspieler. Doch der Wunsch, in die Medien zu gehen, war stärker. Schließlich nahm Bröckerhoff bereits als kleines Kind seine erste „Radiosendung“ auf seinem Kassettenrekorder auf. Ganz aufgegeben hat er die Musik aber nicht. In seiner Freizeit spielt der Wahlhamburger Samba-Percussion in einer Sambaschule.

Soziale Netzwerke sind für Daniel Bröckerhoff eine ideale Möglichkeit, um in der Masse des Angebots sichtbar zu werden, aber vor allem, um sich mit seinem Publikum auszutauschen. Diese Lust, sich mit den Nutzern auseinanderzusetzen, fehle ihm aber bei vielen Journalisten noch. Doch genau aus dieser Richtung kämen starke Impulse für Geschichten, sagt Bröckerhoff im OSK-Interview. Außerdem erklärt er, was Medienunternehmen von Google und Apple lernen können und wie wichtig es für Journalisten ist, zur Marke zu werden.

 

 

Daniel Bröckerhoff
Freier Journalist und Moderator

Web: danielbrockerhoff.de
Twitter: @doktordab
Facebook: Daniel Bröckerhoff
Instagram: doktordab
Xing: Daniel A. Bröckerhoff

1. Wie zeichnet sich Qualitätsjournalismus in Zukunft aus und was schadet ihm?

Ich mag den Begriff Qualitätsjournalismus nicht. Qualität ist ein völlig subjektiver Begriff, der von jedem so definiert werden kann, wie er es gerne möchte. Deswegen halte ich ihn eigentlich für eine Diskussion nur dann für sinnvoll, wenn man sich vorher darüber einigt, was Qualität ist. Das ist aber in der ganzen Debatte nicht der Fall. Deswegen ignoriere ich den so gut es geht.

Aber Journalismus braucht einen USP, wie es heißt, einen Unique Selling Point. Etwas, was ihn einzigartig macht. Das große Problem, das Journalismus derzeit hat, ist, dass viele Journalisten einfach nur abschreiben, Agenturmeldungen weiterverbreiten, ein „Me too“-Produkt anbieten. Aber kein Mensch braucht zwanzigmal dasselbe Produkt. Das wird durch das Netz total sichtbar. Denn der Zuschauer, Leser, Konsument merkt das und sucht sich dann nur noch die eine Marke aus, die ihm gefällt. Am Ende werden wahrscheinlich nur wenige Marken übrig bleiben, die sich dann den Kuchen teilen. Und da müssen wir uns als Gesellschaft fragen, ob das für den Meinungspluralismus der richtige Weg ist.

2. Was sind die großen Trends im Journalismus und was wird sich davon künftig durchsetzen?

Der eine Trend, der jetzt vonseiten der Konsumenten kommt, ist Mobile. Das ist aber kein Geheimnis. Wir alle benutzen diese kleinen Geräte die ganze Zeit und immer mehr. Als Journalist muss man sich darauf vorbereiten. Es muss einem klar sein, wie man Nachrichten so verarbeiten kann, dass sie gut auf dieses kleine Display passen. Da werden wir neue Wege des Storytellings brauchen, des Aufteilens der Nachrichten in kleine Häppchen. Das ist eine Sache, die ich derzeit beobachte und die auch Richard Gutjahr schon beobachtet hat, er nennt das Snackifizierung. Dieser Trend wird meiner Meinung nach immer stärker.

Auf der anderen Seite gibt es den Trend zu mehr Tiefe, zu sehr hintergründigen, grundsätzlichen Stücken. Ich glaube, das ist eine ganz gute Entwicklung. Durch die beiden Trends haben Nutzer zum einen das Kleine für zwischendurch, das sie auf dem Laufenden hält. Über Push-Nachrichten, über verschiedene Wege, mit denen gerade experimentiert wird, etwa WhatsApp-Nachrichten oder kleine Snippets im Feed. Für komplexe Zusammenhänge gibt es dann große Hintergrundstücke. Für diese Inhalte nimmt man sich dann Zeit. Man setzt sich hin, liest wirklich mal eine Stunde oder guckt sich neunzig Minuten einen Beitrag zu einem Thema an, über das man wirklich etwas wissen möchte. Alles dazwischen wird es eher schwierig haben.

3. Wie und wo recherchieren Sie nach guten und spannenden Inhalten?

Ich hab eine Vielzahl von Werkzeugen, um zu gucken, was ein mögliches Thema sein könnte. Das sind zum Beispiel klassische RSS-Feeds. Oder ein sehr gut kuratierter Twitter-Stream. Dort lasse ich mir aktuelle Themen von Werkzeugen wie tame.it zusammenfassen, wenn ich nicht dazu gekommen bin, sie mir durchzulesen. Ich bin aber auch nach wie vor ein Tageszeitungsleser und arbeite natürlich ganz klassisch journalistisch, indem ich mich mit Experten austausche, Hintergrundgespräche führe und mich so auf dem Laufenden halte.

Und dann ist es auch ganz einfach viel Community-Arbeit. Da lege ich großen Wert drauf, auf Community-Pflege, auf Austausch mit dem Leser oder mit den Zuschauern. Aus dieser Richtung kommen immer wieder neue Impulse, immer wieder Anregungen, von denen ich denke: „Das ist jetzt interessant, das ist lohnenswert.“. Da kommen Stücke, auf die ich so selber nicht gekommen wäre, Interviews, die ich sonst selber nicht gefunden hätte. Das sind meine drei Wege: Feed, der herkömmliche Journalismus und die enge Zusammenarbeit mit einer Community.

Der einzelne Journalist muss sich von der Konkurrenz abheben.

4. Was muss man als Journalist künftig tun und können, um gelesen und wahrgenommen zu werden?

Essenziell ist, dass der Journalist hinter seinem Produkt sichtbar wird. Dabei ist von vielen Journalistenschulen jahrzehntelang eine ganz andere Ansicht nach vorne getrieben worden: Der Journalist ist nicht so wichtig wie die Meldung, der Journalist darf nicht so eitel sein, der Journalist muss sich zurücknehmen. Nun ist es aber so, dass Journalisten meistens relativ eitel sind. Das sind Menschen, die eine Meinung haben und die auch mit gutem Grund diesen Beruf gewählt haben, in dem sie gehört werden. Zudem ist es wichtig, dass der Konsument merkt, was das für ein Mensch ist, der mit ihm spricht, der zu ihm spricht, der diese Nachricht, diese Reportage für ihn aufbereitet hat. Denn nur dann wird sichtbar, aus was für einer Sprecherposition, aus was für einer Weltsicht dieser Mensch argumentiert. Warum er bestimmte Fakten stärker gewichtet als andere und manche Fakten vielleicht weglässt.

Dann fängt man an, eine Beziehung zu diesem Menschen zu haben. Das ist im Grunde ein sehr altes Phänomen, denn große Nachrichtensprecher in den USA waren immer eine Bezugsgröße für ihre Zuschauer. Auch Deutsche waren das. Hanns Joachim Friedrichs war das, Claus Kleber ist es für viele auch. Das sind Menschen, denen man ein gewisses Maß an Vertrauen schenkt, denen man eine Kompetenz zuschreibt. Durch jahrelanges Begegnen auf dem Bildschirm, auf dem Tablet oder in der Zeitung entsteht das Gefühl, diesen Menschen nahezukommen.

Als Jugendlicher hatte ich selbst so eine Begegnung. Das war ein Lokalreporter in der NRZ, der viele Reportagen aus dem Ruhrgebiet geschrieben hat. Den kannte ich irgendwann und ich habe mich diesem Menschen nahe gefühlt, weil er sehr persönlich geschrieben hat. Dann hat man jemanden, von dem man weiß, wo seine Texte herkommen. Man freut sich, wenn derjenige einen Link teilt, eine neue Reportage veröffentlicht hat. Doch man freut sich nicht nur auf die Nachricht, sondern eben auf das Produkt, weil man sehen möchte, was genau dieser Mensch herausgebracht hat. Ich denke, das hat jeder Journalist irgendwo in sich. Aber nicht jeder traut sich, diese Seite zu zeigen, weil ihm so oft gesagt wurde: „Du darfst dich nicht so wichtig nehmen.“ Das stimmt natürlich, wir sind nicht wichtiger als die Nachricht, aber es ist wichtig klarzumachen, wer derjenige ist, der das vermittelt.

Es ist ja auch nicht unwichtig, wenn man in ein gutes Restaurant geht, zu wissen, wer da gekocht hat. Köche verstecken sich heute immer noch häufig in den Küchen. Aber es gibt den neuen Trend, die Küchen zu öffnen. Das ist eine Metapher, die ich sehr gut finde. Wir müssen die Küchen sichtbar machen. Es muss klar sein, wer da eigentlich für mich kocht und welche Zutaten er benutzt hat. Denn dann komm ich auch gerne wieder, weil ich weiß, dass dieser Mensch so kocht, wie es mir schmeckt.

Der einzelne Journalist muss sich von der Konkurrenz abheben, durch einen eigenen Schreibstil, eine eigene Handschrift bei einem TV-Beitrag. Das sieht man bei großen Journalisten der letzten Jahrzehnte. Die hatten alle ihren ganz eigenen Stil. Das muss jeder für sich selbst entdecken. Man muss viel an sich arbeiten, experimentieren und sich trauen. Dafür sind Förderer nötig, die sagen: „Mach mal.“ Es braucht mutige Redaktionen, die Redakteuren mit einem eigenen Blick den Raum bieten, sich auszuprobieren, und das fehlt mir derzeit immer noch an vielen Stellen. Aber natürlich muss auch der Journalist einen gewissen Mut mitbringen, um rauszugehen und zu sagen: „Hier bin ich.“

// Über #ZukunftDesJournalismus

Mobiles Internet, immer leistungsfähigere Smartphones, neue Nachrichtendienste: Die Medienlandschaft verändert sich rasant und mit ihr der Journalismus. Viele Fragen bewegen die Branche: Ist die Tageszeitung ein Auslaufmodell, weil die jüngeren Zielgruppen aktuelle Nachrichten nur noch auf mobilen Endgeräten konsumieren? Erledigen bald Schreibroboter typische Routineaufgaben und machen damit einen Teil der Redakteure überflüssig? Mit welchen neuen journalistischen Darstellungsformen können Menschen erreicht werden, die immer weniger lesen und nur noch Bilder anschauen? Gemeinsam mit Journalisten und Medienmachern aus ganz unterschiedlichen Richtungen wagt OSK einen Blick in die Zukunft des Journalismus. Das Prinzip ist immer das gleiche: acht Fragen, acht Antworten. Stück für Stück entsteht so ein Bild, das belastbare Aussagen zu entscheidenden Trends von morgen und übermorgen ermöglicht.

5. Die technologischen Veränderungen sind rasant – wie müssen sich vor diesem Hintergrund der Journalismus verändern und dessen Anbieter anpassen?

Der Journalismus muss mehr experimentieren und sich weiterentwickeln. Das ist wie in jeder Branche. Das ist nur jahrzehntelang vernachlässigt worden, weil Verleger und Verlage mal ein Produkt hatten, das von selber lief. Sie mussten es nur minimal an die Leserbedürfnisse anpassen. Hier am Design schrauben, dort am Schreibstil, aber großartig hat sich nichts verändert. Es existiert nun eine Branche, in der Entwicklungsabteilungen quasi nicht vorhanden sind. In der Automobilindustrie, in der gesamten Technikindustrie ist die Entwicklungsabteilung das wichtigste Kernelement jeder Firma. Ohne Entwicklungsabteilungen wären Google und Apple heute nichts. Deren komplette Unternehmensphilosophie müssen wir ein Stück weit übernehmen. Das heißt nicht, dass wir jedes Jahr das Magazin oder die Sendung umschmeißen müssen, aber wir müssen uns überlegen, wie wir uns weiterentwickeln können.

Manchmal ist es eine Sackgasse, da braucht es Mut zum Scheitern. Das ist schon fast eine Binsenweisheit geworden. Aber natürlich muss man überlegen, wo sich Investitionen lohnen. Dass man investieren muss, zeigt sich bei Axel Springer. Das ist in meinen Augen bis jetzt der einzige Verlag in Deutschland, der erkannt hat, wie viel Gewicht man dareinschmeißen sollte, um in dieser neuen digitalen Welt einen Fuß in die Tür zu kriegen. Wir befinden uns derzeit wie in einem Goldrausch. Jetzt geht es darum, die Grenzen abzustecken. Axel Springer ist für mich dabei weit vorne. Bei allen anderen frage ich mich, wo sie bleiben.

Ich halte Native Advertising nicht grundsätzlich für Teufelszeug.

6. Wie verdient der Großteil der Medien künftig Geld?

Das ist eine ganz schwierige Frage. Ich denke, weiterhin mit Werbung. Da gibt es jetzt die große Diskussion um Native Advertising und Sponsoring. Diesbezüglich brauchen wir innerhalb der Branche ethische Standards, um die rote Linie abzustecken, die wir nicht überschreiten. Das wird vor allem im Abgleich mit den Konsumenten passieren. Wenn die sich über den Tisch gezogen fühlen und merken, dass jemand nicht mit offenen Karten spielt, ist es mittlerweile sehr einfach, ein Produkt oder Abo abzubestellen – vor allem, wenn es kein Bezahl-Abo ist. Ein kurzer Klick und der YouTuber oder der Verlag hat einen Abonnenten, ein Like weniger. Ich halte Native Advertising nicht grundsätzlich für Teufelszeug, auch wenn ich die Entwicklung an sich nicht besonders begrüße. Es ist eine Frage der Transparenz und danach, wie gut das beworbene Produkt zum Medium passt.

7. Wie sehen Ihrer Ansicht nach journalistische Inhalte und die Angebotslandschaft in fünf Jahren aus?

Ich möchte mich an Spekulationen ehrlich gesagt nicht beteiligen. Es ist so schwierig zu sagen, wohin es geht, grade was den Verdienst angeht. Dabei kann man sich nur in die Nesseln setzen. Was ich mir wünsche, ist, dass Journalisten für gute Arbeit wieder anständig bezahlt werden. Das ist derzeit ganz eindeutig nicht der Fall. Um sein Leben zu finanzieren, müsste ein freiberuflicher Journalist 500 bis 600 Euro am Tag verdienen. Das tun die allerwenigsten. Das liegt zum einen daran, dass die Arbeit von vielen vielleicht doch zu austauschbar ist. Das heißt, es braucht mehr USP. Dann kann man mehr Geld für sein Angebot verlangen. Oder eben mit einem anderen Medium zusammenarbeiten beziehungsweise seine Produkte selbst verkaufen. Das Problem vieler Journalisten ist, dass sie sich noch zu wenig als Unternehmer verstehen. Auch mir fällt das manchmal noch schwer. Dafür braucht es mehr Ausbildung an den Journalistenschulen, mehr Hintergrundwissen. Und vor allem mehr Solidarität zwischen den freiberuflichen Journalisten.

8. Welches Medium fehlt heute noch auf dem Markt?

Mir fehlt kein Medium, mir fehlt ein Dienst. Und zwar einer, der ähnlich funktioniert, wie es tame.it oder der Facebook-Feed versuchen. So ein Dienst, der lernt, was für mich relevante Themen sind, was relevante Quellen sein könnten. Der Service kuratiert, sortiert vor, bietet an. Für mich als Nutzer muss aber dabei jederzeit transparent sein, wie so ein Dienst funktioniert, sodass ich eingreifen kann. Er sollte mir aber auch Sachen vorschlagen, die mir sonst vielleicht nicht begegnet wären. Diesen Dienst gibt es immer noch nicht. Dabei wäre das ein großes Ding. Wir haben viel, viel, viel Content da draußen, viele Informationen, viele Artikel, viele gute Sachen. Manchmal findet man sie durch Zufall, manchmal findet man sie eben nicht. Ein Dienst für alles – Kuratieren, Sortieren, Filtern –, das ist noch ein Problem. Es wird nach Lösungen gesucht, aber das ist momentan immer noch in den Kinderschuhen, obwohl Big Data ja das große neue Ding sein soll.

Hier gelangt ihr zu den anderen Teilen der Serie #ZukunftDesJournalismus.

Über den Autor

Carsten Christian ist studierter Journalist und Kommunikationswissenschaftler, seinen Master-Abschluss hat er an der Uni Hamburg gemacht. Bevor er zur Agentur kam, war der Digital Native mehr als zwei Jahre für die Online- und Print-Ausgabe der Ruhr Nachrichten im Einsatz. Bei OSK arbeitet er als Team Lead Digital Content, auf dem Agentur-Blog schreibt Carsten über den Medienwandel und Trends im Bereich Digital-Kommunikation. Privat verfolgt er Neuigkeiten in der Videospiel- und Gaming-Szene und greift auch selbst zu Maus und Gamepad.

Dieser Artikel wurde vor mehr als einem Jahr veröffentlicht. Sein Inhalt ist möglicherweise nicht mehr aktuell.