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Liebe Leserinnen und Leser,

in den über 500 Stunden Programm wurden auf der re:publica alle Facetten der digitalen Gesellschaft beleuchtet. Netzaktivisten, Blogger, Journalisten, Wissenschaftler und Politiker debattierten auf Europas größter Digitalmesse über aktuelle Trends – von künstlicher Intelligenz, Big Data, Virtual Reality über autonomes Fahren bis zur Macht der Algorithmen. Gemäß dem Motto „Love Out Loud“ waren in Berlin auch Fake News und Hass im Netz wieder große Themen. Wir haben uns die wichtigsten Trends und spannendsten Debatten der Konferenz genauer angeschaut.

Viel Spaß beim Lesen!

Aufmerksamkeit ist die wertvollste Ressource im digitalen Zeitalter

„Postfaktische“ Nachrichten, Populismus und Fake News sind die Werkzeuge der „Goldgräber“: Mathematiker und Philosoph Gunter Dueck erklärte auf der re:publica, wie Aufmerksamkeit zur wertvollsten Ressource im digitalen Zeitalter werden konnte. Wir würden verführt, unsere Aufmerksamkeit zu verscherbeln – für Inhalte, die sie gar nicht verdienten. Die Produzenten dieser „negativen Aufmerksamkeit“ seien die zuvor erwähnten Goldgräber, erklärt Dueck. Während sich der Nutzer auf dem Weg zu einem Video erst einmal durch diverse Werbeinhalte kämpfen müsse, verdienten die Plattformen bereits. Im inzwischen ganz normalen Wahnsinn aus Gefälligkeitscontent und Aufmerksamkeitslenkung sei die Kommunikation in den sozialen Medien zum Spießrutenlauf geworden.

Leben und Tod: Algorithmen beeinflussen unser gesamtes Leben

Über Algorithmen werde viel gesprochen, greifbar seien sie aber kaum, findet Handelsblatt-Autor Johannes Steger. Auf der re:publica, wo Algorithmen in diesem Jahr ein vorherrschendes Thema waren, ging er auf Spurensuche. Einige Experten sind an dem Versuch, die Welt der Algorithmen zu durchdringen, gescheitert. Andere wollen Algorithmen hingegen unbedingt verstehen – denn sie könnten nicht nur Wahlen, sondern unser ganzes Leben beeinflussen. Für Jura-Professor Frank Pasquale von der Maryland University heißt das nichts Gutes: Es sei beispielsweise vorstellbar, dass die Menschen bald einen Algorithmus über Leben und Tod entscheiden lassen. Derzeit erforscht er, wie leicht Google mithilfe von Bots für rassistische Zwecke manipuliert werden kann. Pasquale fordert mehr Transparenz und die Rückkehr zum einfachen Algorithmus. Als Nutzer solle man selbst über den Facebook-Algorithmus und die Inhalte, die man sieht, bestimmen können.

Der Hype um Virtual Reality ist tot – es lebe Virtual Reality!

Im Jahr 2040 können Menschen entscheiden, in welcher Realität sie leben wollen. Diese These stellte t3n-Chefredakteur Luca Caracciolo in seinem Vortrag zu Virtual Reality auf. Während einige bereits das Ende prophezeien, blicken andere zuversichtlich in die Zukunft der Technologie. Der Knackpunkt sei die Hardware; gerade einmal zwei Millionen VR-Brillen seien bisher verkauft worden, sagte Caracciolo. Während seines Vortrags über Psychologie, Philosophie und andere Disziplinen erklärte er jedoch, virtuelle Realität beginne in den Köpfen der Menschen und brauche zunächst eigentlich kein Equipment. Er nannte ein Beispiel: Menschen stiegen bis zu 2.000-mal am Tag aus der Realität aus und durch Tagträume in eine andere ein. Bis man sich jedoch seine eigene Welt erschaffen könne, in der man „lebt“, werde noch viel Zeit vergehen.

Überangebot und mangelnde “Kampfeslust”

Die re:publica hat erneut Größenrekorde gebrochen. Viele der rund 9.000 Besucher habe der „Input-Dschungel“ jedoch überfordert, viele hetzten von einer Veranstaltung zur nächsten, berichtet rbb-Redakteur Martin Adam aus Berlin. Von Social Bots, vernetzten Sextoys zur Netzpolitik-Debatte mit Thomas de Maizière: Das Themenangebot auf der Digitalmesse war enorm, aber das sei gewollt, so die Veranstalter. Die re:publica möchte als Gesellschaftskonferenz wahrgenommen werden, die eine große Vielfalt abbildet. Von der „Kampfeslust“, die zu Beginn proklamiert wurde, sei über 500 Veranstaltungen später jedoch kaum noch etwas zu spüren gewesen, bedauerte Adam.

Survival of the Fakest: Fake News soll aus dem Wortschatz verbannt werden

Fake News“ sei eine „unsägliche“ Beschreibung eines Phänomens, das für „so vieles, vor allem aber für nichts Gutes stehe“. Damit brachte Niddal Salah-Eldin, Social-Media-Chefin von WeltN24, auf der re:publica ihre Meinung zu Falschmeldungen auf den Punkt. In einem Panel diskutierte sie unter anderem mit „Tagesschau“-Redakteur Patrick Gensing, Medienkritiker Stefan Niggemeier und rbb-Programmleiter David Biesinger. Salah-Eldin forderte, den Begriff ab sofort nicht mehr zu verwenden. Das Panel diskutierte Lösungsansätze im Umgang mit Falschnachrichten. Viele Medien richten beispielsweise Fact-Checking-Teams ein. Die Fakten zu checken, sei eine selbstverständliche Aufgabe des Journalisten, merkte Niggemeier an. Er sieht die Medien in der Bringschuld, an dem gestörten Verhältnis zum Publikum zu arbeiten. Denn das eigentliche Problem seien nicht Fake News. In der Beziehung zwischen Journalist und Publikum sei etwas entgleist. Biesinger möchte das erschütterte Medienvertrauen vor allem durch transparente journalistische Prozesse zurückgewinnen.

Verlernen, wie ein Mensch zu sehen

Die Mehrheit der heute erstellten Fotos würde von Maschinen für Maschinen gemacht, erklärte Fotokünstler Trevor Paglen, der ebenfalls auf der re:publica auftrat. Das habe enorme Auswirkungen auf die Gesellschaft. Unsichtbares sichtbar zu machen, ist seit Langem Paglens Leitmotiv. Digitale Bilder seien anders. Sie würden erst und nur in dem Moment sichtbar, in dem sie auf einem Display gezeigt werden – das brauche eine Maschine nicht, ihr reiche die Datei. Fotos, die täglich auf Plattformen hochgeladen würden, fütterten zunächst eine Maschine, bevor sie ein Mensch sieht, Facebooks tiefe neuronale Netze zerlegten jedes Bild in Muster, um zu lernen, Lebewesen und Objekte zu erkennen und zu klassifizieren – die Maschine „sehe“ dabei anders als der Mensch, vor allem aber sehe sie alle hochgeladenen Bilder. „Um die unsichtbare Welt der visuellen Kultur von Maschinen verstehen zu wollen, müssen wir verlernen, wie Menschen zu sehen“, meinte Paglen.

Die besten Bilder von der re:publica 2017

Auch t3n war auf der re:publica in Berlin unterwegs und hat einige der besten Schnappschüsse in einer Fotogalerie zusammengestellt.

Die Übersicht behalten: Mit OSK Weekly präsentieren wir einmal wöchentlich einen kompakten Überblick zu aktuellen Entwicklungen aus der Welt der Kommunikations- und Digitalbranche – mit spannenden, bemerkenswerten und wie wir finden teilenswerten Nachrichten aus den Bereichen PR, Marketing, Social Media & Co.

Über den Autor

Carsten Christian ist studierter Journalist und Kommunikationswissenschaftler, seinen Master-Abschluss hat er an der Uni Hamburg gemacht. Bevor er zur Agentur kam, war der Digital Native mehr als zwei Jahre für die Online- und Print-Ausgabe der Ruhr Nachrichten im Einsatz. Bei OSK arbeitet er als Team Lead Digital Content, auf dem Agentur-Blog schreibt Carsten über den Medienwandel und Trends im Bereich Digital-Kommunikation. Privat verfolgt er Neuigkeiten in der Videospiel- und Gaming-Szene und greift auch selbst zu Maus und Gamepad.

Dieser Artikel wurde vor mehr als einem Jahr veröffentlicht. Sein Inhalt ist möglicherweise nicht mehr aktuell.